Die Glocken der Neumarkter Hofkirche im Kreuzverhör

2.8.2020, 13:00 Uhr
Die Glocken der Neumarkter Hofkirche im Kreuzverhör

© Foto: Nicolas Damm

Das Herz eines, einer Normalsterblichen hüpft im Leibe, wenn die kleine Glocke im Turm der Hofkirche "Viertel" schlägt – und man direkt daneben steht. Thomas Winkelbauer hingegen zuckt nicht einmal mit der Wimper. Für den Glockensachverständigen der Diözese Eichstätt ist das Alltagsmusik.

Die Ohrenschützer setzt er höchsten beim Sturmläuten auf. Wie gestern um halb zehn, als Passanten verwundert hoch zur Turmspitze der einstigen Hofkapelle der Neumarkter Pfalzgrafen schauten. Außer Rand und Band schienen die sechs Glocken, angeführt von der großen H- Null-Glocke aus Bronze, die Johannes dem Täufer gewidmet ist und 3,5 Tonnen auf die Waage bringt.

Ausgerechnet die Johannesglocke, die erst seit 2002 im damals rundum erneuerten Glockenstuhl hängt, könnte sich zum Sorgenkind entwickeln. Thomas Winkelbauer steckt seinen Finger in einen Riss, der fast das gesamte Joch, an dem das Ungetüm befestigt ist, längs durchzieht. Knapp einen Zentimeter breit ist der Spalt im Eichenholz. "Eventuell muss man die Glocke schon vor der Sanierung stilllegen."

Die anstehende Sanierung des Kirchturms von "Zu Unserer Lieben Frau", wie die Hofkirche offiziell heißt, ist der eigentliche Grund, warum der Klangexperte aus dem Diözesanbauamt den heißen Freitag in der gut durchlüfteten Glockenkammer hoch über der Altstadt verbringt. Bevor die Handwerker anrücken, will die Hofpfarrei noch abklären, warum der Turm auf der Nordseite (teilweise überputzte) Risse aufweist.

Aus Bronze und Euphon

Eine mögliche Ursache könnten die enormen Kräfte sein, die ausgehend vom Geläut auf das Bauwerk einwirken. Zum Beispiel, weil die Eigenfrequenzen beider ganz oder beinahe übereinstimmen. Dadurch verstärken sich die Schwingungen, der Turm bekommt ein "dynamisches Problem". Der Sachverständige gibt jedoch in diesem Fall Entwarnung: "Laut den Messungen können wir das hier ausschließen."

Ein weiterer Verdächtiger ist der Schub, der besonders dann zunimmt, wenn Glocken gleichzeitig, aber in verschiedene Richtungen schwingen. Winkelbauer macht aber auch Tonaufnahmen. Zum Einsatz kommen überdies sein Stimmgabel-Set und der Greifzirkel. Mit dem misst er die Wandstärke in Höhe des Schlagrings, wo der schwere Klöppel innen auf den Glockenkörper trifft.

Der Glockenstuhl hinterlässt bei ihm einen guten Eindruck. Aufpassen müsse man hingegen bei den drei Glocken aus Euphon, einer Kupfer-Zink-Legierung, die in der Nachkriegszeit als Ersatz für die rare Bronze verwendet wurde. Winkelbauer: "Seit wenigen Jahren erst ist bekannt, dass Euphon-Glocken bei starker Beanspruchung zerbröseln können."

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