Karl-Hans Graf: Der Sprachakrobat, der mit Reimen spielt

18.3.2018, 10:29 Uhr
Karl-Hans Graf: Der Sprachakrobat, der mit Reimen spielt

© Foto: Martin Herbaty

Es ist das neueste Buch des 1951 in Schwandorf geborenen Autors und enthält Gedichte aus den vergangenen viereinhalb Jahren.

"Je älter ich werde, desto knapper wird die Form", beschrieb Graf seine literarische Entwicklung. Doch auch in knappster Form beackern die 55 Gedichte vielfältigste Themen.

"Über die Solidarität der Verse beim Schreiben" nannte der Burgthanner dementsprechend das zuerst vorgetragene Werk. Darin ging es um die Mühsal des Dichters im Steinbruch der Wörter und um die Frustration, wenn der schöpferische Funke einfach nicht überspringen will.

"Für mich ist Literatur ein Spiel der Form, der Inhalt ergibt sich aus der Form", lautet die kreative Maxime Grafs. So entstehen seine Gedichte in freier Assoziation aus ständigem Sprachspiel – und die fertigen Texte haben oft nur einen höchst indirekten Zusammenhang mit den Umständen ihrer Entstehung.

Alte Muster über Haufen geworfen

In "Gryphius grinst" hat Karl-Hans Graf sich einem rigiden formalen Ansatz unterworfen und die alte Tradition des Stabreims aktualisiert: Bei allen Gedichten besteht jede Zeile aus zwei Worten mit dem gleichen Anlaut. Lese-Rhythmus und Tonart im Vortrag stellen sich jedoch gegen den Zeilenfall und legen eine weitere Ebene darüber.

Ein wichtiges Thema für Graf ist das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft, das er von allen Seiten beleuchtet. Im "Geburtstagsgedicht" verweist das leitmotivische "Vorbei. Vorbei" gleichermaßen auf Überdruss und Endlichkeit, im "Haus" zeigt er das Ich als "mit Selbstillusionen möblierte Gedankengebäude".

Auch wenn es oft um die tragischen Befindlichkeiten der Menschen geht, bewahrt sich Graf den ironisch-distanzierten Blick auf die Tücken des Alltags – selbst bei harten Themen wie dem Alkoholismus. Und das philosophische Gespräch "Auf einem Barhocker" endet versöhnlich mit "Lieber Leser, der Dichter hat hier Grappa getrunken."

Die Grenzen des Atheismus lotet Graf in einer ganzen Reihe von Gedichten aus. Er bringt Nietzsche ins Spiel und spricht auch über unseren Umgang mit dem Tod. Letzterer ist für den Burgthanner Dichter Karl-Hans Graf ein Beleg dafür, "dass wir keine Übermenschen sind", ausgedrückt etwa in "Zuletzt" und "Eden", in dem es heißt "Aber keiner kann Glück gleichmäßig immer intensiv ertragen".

Das Leben als Rennbahn

Eine Zeile des Gedichts "Fast ein barockes Thema" gab Grafs neustem Buch seinen Titel. Hier nimmt er Andreas Gryphius' Metapher vom Leben als "Renne-Bahn", entkleidet sie aber angesichts eines verborgenen Gottes vom Ziel einer christlichen Erlösung.

Auch im "Kloster" ist Gott explizit abwesend. "Am Grab Camus'" entwirft Karl-Hans Graf dagegen ein Gegenbild zu dessen pessimistischer Weltsicht: Sysiphos, für Albert Camus Metapher für die Sinnlosigkeit des Lebens, legt hier eine Pause ein und genießt den Sommer der Provence.

Es geht auch leichter

Leichter im Ton sind die Naturgedichte wie "Von zwei Pilzsammelverweigerern". Aber auch hier geht es immer wieder um das Spannungsverhältnis zwischen Innen- und Außenwelt sowie die typische Wahrnehmungsdiskrepanz – nicht nur in der "durchgeknallten hormonellen Hochsaison" des Frühlings.

Ausgewählte Liebesgedichte schlossen die Lesung ab – mal sehnsüchtig-lakonisch, mal skurril in der Wahl der Metaphern wie bei "Liebe", deren negative und positive Eigenschaften durch eine Käfermenagerie personifiziert werden.

Ein Liebesgedicht war auch das "Verkleinerte vereinfacht verkitschte Versepos", das das für alle Gedichte aus "Gryphius grinst" konstitutive Verfahren auf die Spitze treibt: Nicht nur beginnen alle Wörter des Gedichts mit dem Buchstaben V. Sie haben auch alle die gleiche Vorsilbe "ver-".

Wiederholungen nötig

Angesichts der Kompaktheit und der Fülle an Anspielungen, Wortkombinationen und stilistischer Raffinessen wusste es das Publikum zu danken, dass Karl-Hans Graf viele der Gedichte nicht nur einmal, sondern nach kurzen Erklärungen abermals vorlas.

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