Kein Jura-Volksfest in Neumarkt: Kellner klagen über "Loch im Herzen"

11.8.2020, 22:58 Uhr
Kein Jura-Volksfest in Neumarkt: Kellner klagen über

© Foto: Günter Distler

"Es ist ein richtiges Loch im Herzen", sagt Michael Sturm. Der Mühlhausener ist seit 14 Jahren nebenberuflich im Service tätig, in Neumarkt sind Frühlings- und vor allem das Juravolksfest seine Highlights. Außerdem ist er am Gillamoos und bei weiteren Festen im Ingolstädter Raum mit einem Festwirt unterwegs – in normalen Sommern. Übrigens: Wir sammeln eure schönsten Volksfestbilder und haben einen fetten Preis ausgelobt.

Bei diesen Festen wurde auch Sturms Ehrgeiz geweckt, er versuchte, immer mehr Maßkrüge zu tragen, und schaffte es 2017, den Weltrekord aufzustellen: In Brasilien schleppte er sagenhafte 26 Maß Bier ins Ziel, vorherige Versuche in Bayern hatten nicht ganz hingehauen.

Sturm sagt, er vermisst die Leute, die Stimmung, das Zusammensein – es gebe Stammgäste, die auch wegen ihm zu den Festen kommen, sich extra in seinen Bereich setzen.

Hauptamtliche erwischt es übel

Insgesamt, weiß er, sind seine hauptberuflichen Kollegen schlimmer dran, auch Festwirte und Schausteller. Wer sonst von Frühjahr bis Herbst das Geld fürs ganze Jahr verdient, hat heuer komplett Pech. "Ein Festwirt, mit dem ich viel zusammenarbeite, hat als letztes 2019 einen Weihnachtsmarkt gemacht", sagt er.

Für die bayerische Kultur empfindet er das Aus für die Feste als "herben Rückschlag". Dass Großereignisse wie die Wies‘n abgesagt wurden, findet er korrekt. Für kleinere Veranstaltungen, etwa in dem Maßstab des Neumarkter Volksfestes, hätte man mit einem Online-Reservierungskonzept und weniger Tische durchaus eine Lösung nach den Hygieneregeln finden und trotzdem feiern können, meint er. Sturm hofft, dass 2021 wieder die üblichen Feste steigen können – "die Hoffnung stirbt ja zuletzt", sagt er. Denn wenn das nächste Jahr ebenfalls kaum Einnahmen bringen würde, sieht er für viele Unternehmer schwarz.

Um sich etwas abzulenken, geht Sturm gern ins Fitness-Studio, seine Maßkrüge zuhause sind in Corona-Pause, nur neulich hat er sich allein daheim eine Maß eingeschenkt. "Nur so fürs Gefühl – das war super".

Weiterer Rekordversuch

Im kommenden Jahr will er nochmal einen Rekordversuch starten und seine eigene Leistung übertreffen: Wenn die Taekwon-Do-Abteilung des ASV Neumarkt, da ist er Mitglied, ihr Fünfjähriges feiert, soll es eine Spendengala geben – und er will seinen Rekord einstellen.

Kein Jura-Volksfest in Neumarkt: Kellner klagen über

© Foto: Wolfgang Fellner

Simon Traub alias Wadl Symen hat ebenfalls Phantomschmerzen, wenn er ans Servieren denkt. Auf dem Oktoberfest und auch bei dessen internationalen Ablegern, vor allem in den USA, war er gefragt – alles abgesagt.

Im Winter ist Traub auch bei Messen im Einsatz. Dass das Bedienen nun erst mal Pause hat, "tut ganz klar weh", sagt der Neumarkter, denn sein Herz schlage nach wie vor für die Arbeit im Gastro-Bereich. Er hat bereits ein Buch geschrieben über seine Erlebnisse, "Die Krüge hoch: Hinter den Kulissen der Bierzeltkultur" heißt es, und heuer kommt kein neues Kapitel dazu. "Das Leben spielt, wie es spielt", sagt Traub.

"Schlechtes Gefühl"

Als Servicekraft hatte er einen Job in der Gaststätte Heilig-Geist-Spital in Nürnberg, als Corona zuschlug. "Ich hatte gleich ein schlechtes Gefühl, dachte mir, dass das länger dauert", sagt er. Und suchte nach einem neuen Job: Er wurde vom Lebensretter, der Flüssiges serviert, zum Einweiser für Sauerstoff. Er liefert Beatmungsgeräte und erklärt Kliniken, Reha-Einrichtungen oder Privatpersonen, wie sie funktionieren. "Auch eine wichtige Dienstleistung", sagt er und grinst – genauso wichtig wie das Maßkrug-Tragen: Sein Kollege Michael Sturm hört oft den Spruch, "so viele Krüge wie du tät‘ ich nicht schaffen". Dann antwortet er immer: "Das brauchst du auch nicht, das mach ja ich – du musst nur einen tragen, deinen eigenen." Er hofft, dass er diesen Satz bald wieder zu einem Gast sagen kann.

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