Kontakt mit Corona: Kampfsport unter widrigen Umständen

4.4.2020, 07:37 Uhr
Kontakt mit Corona: Kampfsport unter widrigen Umständen

© Foto: Philip Hauck

"Mancher macht es gerne, ich war zu meiner aktiven Zeit kein Fan davon", verrät der Abteilungsleiter der Oberölsbacher Ringer. Allein die aktuelle Situation beschränkt die Übungsmöglichkeiten seiner Schützlinge derzeit auf Liegestütze, Cross-Fitness oder Jogging-Runden. Selbst die hauseigenen Geräte aus dem geschlossenen Studio sind nicht mehr zugänglich. "Das Mattentraining von drei bis vier Einheiten pro Woche macht schon einen wesentlichen Part aus. Von daher ist ein Formverlust ist unausweichlich", sagt Geitner.

Besonders bitter ist die Zwangspause für die Aushängeschilder um Patrick Fanderl, die im April bei den Bayerischen und später teils auch bei den Deutschen Meisterschaften für Furore sorgen wollten. Neben den verschobenen Einzel-Wettbewerben hängt der für Anfang September terminierte Start in den zuschauerträchtigen Mannschaftsbetrieb noch in der Schwebe. "Wir möchten schon vorne dabei sein", formuliert Abteilungsleiter Geitner die Ansprüche für die erste Garde in der Bayernliga-Runde, doch ob das in der sechs- bis achtwöchigen Vorbereitung obligatorische Trainingslager stattfinden kann, weiß momentan niemand. Die organisatorischen Unwägbarkeiten gehen einher mit der Frage nach der finanziellen Ausstattung. Während der prominente Trainer Fabian Schmitt als Teilzeitkraft im Hauptverein beschäftigt ist, müssen die Ringer zumindest den angekündigten Rückzug eines Sponsors verkraften, der sich explizit auf die Corona-Krise bezog. "Unser Unterstützerkreis ist breit aufgestellt. Das wird uns nicht umschmeißen", erklärt Geitner kämpferisch.

Besonderes Schattenboxen

Intensiver mit dem Thema Geld beschäftigten sie sich jüngst indes bei der Box-Abteilung des ASV Neumarkt. Um die Schlagkraft des eigenen Stalls zu demonstrieren, soll ein Wettkampf-Ring angeschafft und das nötige Kapital von 5000 Euro über ein Crowdfunding-Projekt im Internet eingesammelt werden. "Das Ziel ist fast erreicht", berichtet Abteilungsleiter Eranos Özdemir freudig. Ein im Verhältnis kleinerer Dämpfer würde die Kasse erwarten, wenn die wiederbelebten Bierzelt-Kämpfe auf dem Jura-Volksfest am 16. August entfallen. Özdemir sieht alle Entscheidungsgewalt in städtischer Hand, betont aber: "Die Veranstaltung ist unser Jahreshöhepunkt. Dank Sponsoren und Spenden bleibt in der Regel ein Betrag für uns übrig. Viel wichtiger ist es, sich vor 2000 Menschen präsentieren zu dürfen."

Zur Abwechslung Hampelmann

Solche einschlägigen Erfahrungen gegen ausgesuchte Gegner dienen schließlich auch dazu, die sportliche Entwicklung der Spitzenathleten zu fördern. Unter anderem Kathrin Hönig sieht sich in diesen Tagen auf dem Weg zu neuerlichen Meriten auf bayerischer Ebene ausgebremst. Statt der üblichen drei Trainingstage pro Woche "steht alles still", konstatiert Eranos Özdemir. Zu Hause sei nun bei Intervallübungen oder Seilspringen Selbstdisziplin gefragt, beim Schattenboxen mit dem Partner wohl noch mehr Konzentration. "Ich persönlich reagiere mich am besten beim Holzhacken ab", ergänzt Özdemir. Eine bunte Palette an Ersatzübungen für die Trainingsgestaltung, von der klassischen Kniebeuge über die Bauchmuskel-Beanspruchung beim Sit-up bis zum Hampelmann, schlägt derweil der Judo-Bezirk Oberpfalz auf seiner Website vor. Über die elektronische Anleitung hinaus wird auf Live-Formate per Video, wie andernorts praktiziert, bewusst verzichtet. Der Nachwuchs "sitzt schon genug vor der Flimmerkiste", findet Reiner der Bezirksjugendleiter Brinkmann, der gleichzeitig als Abteilungsleiter beim SV Mühlhausen fungiert.

Im Gegensatz zum Abwechslungsprogramm, das mit dem bloßen Körpergewicht arbeitet, geht dem Judo in Zeiten der Kontakteinschränkung freilich eine seiner charakteristischen Eigenschaften verloren. "Nirgendwo kommen Fremde intimer in Berührung", behauptet Brinkmann flapsig. Weil sich die Kontrahenten in ihren Anzügen früher oder später eng umschlungen auf dem Boden wälzen, um den entscheidenden O-uchi-gari oder Ippon zu setzen, reagierte der Verband schneller als andere Sportarten.

Bereits als unverbindliche Hygiene-Hinweise wie Verzicht auf Händeschütteln die Runde machten, zog auch Brinkmann am 6 März die Reißleine. "Die Verantwortung nimmt mir keiner ab, wenn etwas passiert." Die Selbstabsicherung als Teil einer Sportphilosophie, die den Gegenangriff zur Perfektion erhebt, bedeutet stimmt Brinkmann in diesem Fall nicht wirklich glücklich.

Bis in den Juni und Juli hinein sind sämtliche Ranglisten-Wettbewerbe, Einzel-Meisterschaften und auch die Mannschaftsrunden ausgesetzt. Ersatzlos gestrichen zudem die mit Leichtathletik-Elementen kombinierte Judo-Safari am Ostersamstag, einem beliebten Angebot für die jüngsten im Verein. Besonders leidet Reiner Brinkmann mit seinem U18-Ausnahmetalent Muhammed Memis, der sich auf mehrere internationale Auftritte gefreut hatte und stattdessen mit seinen Ersatzübungen Vorlieb nimmt. "Das schöne am Judo ist. Geld, das es nicht zu verdienen gibt, vermisst auch keiner", tröstet sich Brinkmann und verspricht. Man werde nach der Krise mit frischem Elan loslegen.

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