Kritik am EEG: „Kniefall vor Energiekonzernen“

6.7.2014, 10:00 Uhr
Kritik am EEG: „Kniefall vor Energiekonzernen“

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Teil der Energiewende-Wende in Berlin ist die „Länderöffnungsklausel“, die der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer angestoßen hat. Sie gibt den Bundesländern die Möglichkeit, eigene Mindestabstände zwischen Windrädern und der Wohnbebauung festzulegen. Seehofer will mit Rücksicht auf die Windkraftgegner die zehnfache Anlagenhöhe als Distanz gesetzlich vorschreiben (H 10).

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Dieses Vorhaben bezeichnet der Geschäftsführer der Regensburger Firma Windpower, Hans Lenz, schlicht als „Wahnsinn“. Das Unternehmen betreibt bereits 27 Windkraftwerke, die von 3000 Privatpersonen mitfinanziert worden sind. Größtes Windpower-Projekt: der Windpark Berching. „Seehofer hat die feste Absicht, mit der Brechstange den Ausbau der Windkraft auszuhebeln“, sagte Lenz.

Was wird noch gebaut?

Das Vorhaben, per Bebauungspläne und gemeindliche Voten doch geringere Abstände zuzulassen, werde nur in ganz wenigen Orten umzusetzen sein, ist der Windpower-Chef überzeugt. H 10 werde dazu führen, dass nur wirtschaftlich deutlich ineffizientere Windräder verwirklicht werden — oder dass überhaupt nichts mehr gebaut werde, sagte Hans Lenz voraus. „Ich hoffe bloß, dass die Initiative vor Gericht keinen Bestand hat.“

Kritik am EEG: „Kniefall vor Energiekonzernen“

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Auch der IHK-Vizepräsident und Stromanbieter Stefan Rödl aus Neumarkt setzt ein großes Fragezeichen, ob wegen H 10 noch eine größere Zahl von Windkraftanlagen gebaut werden könne, auch vor dem Hintergrund schlechterer Renditen. Ein zentrales Ziel der EEG-Novelle war ja die Strompreisdämpfung. Doch Energieexperte Rödl hat große Zweifel, ob die Verbraucher auf fallende Strompreise setzen könnten. Im Gegenteil: Langfristig werde es Preissteigerungen geben, meint Stefan Rödl. „Aber das ist wirklich der Blick in die Glaskugel.“

„Reagieren auf Notstände“

Insgesamt bewertet der IHK-Vize die EEG-Novelle als „kurzfristiges Reagieren auf Notstände“. Geradezu „gefährlich“ sei es, ausgerechnet die Energie-Selbsterzeuger unter den Unternehmen bei der EEG-Umlage heranzuziehen. Das sei eine Kehrtwendung um 180 Grad. Stefan Rödl: „Bei der fehlenden Planungssicherheit kommt die Energiewende nicht weiter.“

Der Versuch, den Strompreisanstieg zu bremsen, ist nach Ansicht von Michael Gottschalk zu begrüßen. Denn die Energiekosten hätten sich bei vielen Bürgern inzwischen zur „zweiten Miete“ entwickelt, meint der Chef der Kreisentwicklung im Neumarkter Landratsamt. Nicht so erfreulich sei der Umstand, dass der Zubau der regenerativen Energie als Folge der Gesetzesänderungen deutlich geringer ausfallen werde. Es sei „nicht ganz nachzuvollziehen“, warum die Stromgewinnung aus Biomasse pauschal beschränkt werde. Diese Öko-Energiegewinnung erbringe eine bedeutende Wertschöpfung in der Region. Deshalb seien mit ihr auch viele Arbeitsplätze verbunden.

Auch bei der Windkraft werde es Einschränkungen geben. Gottschalk: „Das ist für die Betriebe bei uns schwierig, für die das der Energieträger der Zukunft sein sollte.“

In der Eigenstromversorgung und in der Speicherung von Öko-Strom sieht Kreishandwerksmeister Gerhard Ulm zukunftsweisende und spannende Märkte — eigentlich. Denn inzwischen seien „die Wähler und das Volk bei der Energiewende hinters Licht geführt“ worden. Wenn künftig weniger Windräder gebaut würden, dann seien zahlreiche Handwerksbetriebe davon betroffen. Elektroinstallateure, Schlosser und die Bauwirtschaft profitierten von solchen Vorhaben sehr stark.

Durch die geänderte Öko-Strom-Förderung seien Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk gefährdet. Ulm: „Ich sehe mit Sorge, dass Investoren ins Ausland abwandern werden und uns Aufträge wegbrechen.“

„Risiko minimieren“

Schon vor dem Inkrafttreten des neuen EEG bekommt die Bürgergenossenschaft Jurenergie die Auswirkungen zu spüren: Das geplante Vorzeigeprojekt Laubholz im Gemeindedreieck von Parsberg, Seubersdorf und Breitenbrunn liegt vor allem wegen der schwebenden H 10-Initiative Seehofers auf Eis. „Ich muss das Risiko für die Genossenschaft minimieren, das Projekt ist in der Warteschleife“, sagte Jurenergie-Vorstand Michael Vogel. Rund 50 Millionen Euro sollten dort ursprünglich in bis zu zehn Windkraftanlagen investiert werden. Die Genossenschaft hat die Standortsicherung abgeschlossen und einen Teil der Genehmigungsverfahren in Gang gebracht.

„Das Schlimme an der EEG-Novelle ist, dass die kostengünstigste Energieerzeugungsart abgewürgt werden soll“, sagte Michael Vogel. Die Jurenergie hat bisher die Millionen ihrer Genossen in Wind- und Solarprojekte investiert. Auch 2015 wolle man Vorhaben verwirklichen, kündigte der Geschäftsführer an. Vogel: „Ab 2016 wird es für kleinere Gesellschaften und Genossenschaften defacto unmöglich, etwas zu realisieren.“

Ärger und Frust

Ärger und Frustration schwingt bei dem Jurenergie-Manager Vogel mit angesichts der mutmaßlichen Hintergründe der Gesetzesänderung in Berlin: „Das ist der Kniefall der Politik vor den Energiekonzernen. Und die triumphieren jetzt.“

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