Zu teuer, zu laut, nicht effektiv?

Landkreis Neumarkt: Darum gibt es so wenige Luftreiniger in den Schulen

4.11.2021, 12:12 Uhr
Längst nicht in allen Klassenzimmern im Landkreis Neumarkt stehen solche mobilen Luftreiniger.

© Harald Sippel, NN Längst nicht in allen Klassenzimmern im Landkreis Neumarkt stehen solche mobilen Luftreiniger.

Bund und Länder haben Millionen für mobile Luftreiniger in Klassenzimmern bereitgestellt – trotzdem ist erst rund ein Drittel aller bayerischen Klassenzimmer ausgestattet. Auch im Landkreis Neumarkt ist die Versorgung an den Schulen sehr unterschiedlich, je nach Gemeinde. Während die Geräte in einigen Kommunen längst stehen, in anderen noch kommen sollen, haben sich manche auch dagegen entschieden.

Zu Letzteren gehört etwa die Gemeinde Sengenthal. Dort fiel Mitte Oktober im Gemeinderat die Entscheidung, keine mobilen Luftreiniger zu kaufen. "Wir haben uns verschiedene Modelle angeschaut", berichtet Bürgermeister Werner Brandenburger, der auf die Raumverhältnisse in der Schule verweist. Es gebe keine innenliegenden Räume, alle Fenster seien zu öffnen "und lüften muss man sowieso, wenn die CO2-Ampeln dies anzeigen". Die Räume seien groß, so dass genügend Abstand zwischen den Schülern eingehalten werden könne.

Hohe Kosten für die mobilen Luftreinger

Auch die Eltern seien sich nicht einig gewesen. Manche hätten die Geräte zwar gewollt, aber das eigene Kind sollte auf keinem Fall dem Luftzug oder Elektrosmog ausgesetzt sein. Andere Eltern hätten die Geräte abgelehnt, aus Angst, dass ihr Kind dann keine Abwehrkräfte mehr habe. "Diese mobilen Luftfilter sind teuer und müssen regelmäßig gewartet werden, was auch wieder kostet", betont Brandenburger. „Über kurz oder lang kaufen wir uns mit solchen Geräten Elektroschrott", hieß es im Gemeinderat.

Zudem gebe es bisher keine hohen Infektionszahlen unter den Sengenthaler Kindern. "Das Ansteckungsrisiko außerhalb der Schule ist höher", glaubt Brandenburger, der deshalb aktuell keinen Handlungsbedarf sieht. Das werde natürlich überprüft, falls sich die Corona-Lage ändert.

Luftreiniger machen deutliche Geräusche

Auch in den Gemeinden Postbauer-Heng und Pyrbaum hat man sich gegen mobile Luftreiniger entschieden. In Postbauer-Heng hatte die Verwaltung eine Ausschreibung gemäß den Förderrichtlinien für Luftfilter auf den Weg gebracht. Hierzu lagen drei verwertbare Angebote von Firmen aus der Region vor, die im Fall der Angebotsvergabe im Oktober hätten liefern können. Doch im Schulverband und im Marktgemeinderat entschied man sich mehrheitlich dagegen.

Obwohl alle anbietenden Hersteller die vorgeschriebene Dezibelzahl von unter 40 und die erforderliche Luftumwälzung (fünf- bis sechsfacher Luftdurchsatz des Raumvolumens pro Stunde) eingehalten haben, war bei den Testgeräten dennoch ein deutliches Geräusch zu hören, das im Unterricht stören könnte, vor allem wenn die Leistung in den mittleren oder oberen Bereich geschaltet wurde. Dass trotz Luftfilter ein Lüften über die Fenster alle 20 Minuten vorgeschrieben bleibt, wurde ebenfalls ins Feld geführt.

Mühlhausens Bürgermeister: "Die Luftreinger wirken"

Im Pyrbaum verwies Bürgermeister Michael Langner im Gemeinderat auf eine Veröffentlichung des Umweltbundesamtes und der Kultusministerkonferenz zum Coronaschutz an Schulen vom 9. November 2020 hin. Darin wird beschrieben, was mobile Luftreiniger können und was sie nicht können. „Mit dem einfachen Lüften werden neben den potentiell virenhaltigen Aerosolen auch CO2, Feuchtigkeit und chemische Stoffe effektiv aus der Luft entfernt. (…) Mobile Raumluftfilter können weder CO2 noch Feuchtigkeit abtransportieren", heißt es dort.

Der Mühlhausener Bürgermeister Martin Hundsdorfer verteidigt dagegen die Entscheidung seiner Gemeinde, mehr als 30 mobile Luftreiniger für die Schule und die Kindertagesstätten angeschafft zu haben. "Wir haben drei verschiedene Modelle im Einsatz, ganz große und auch kleine, und ich habe noch nie was Negatives gehört, weder vom Lärm her noch von der Zugluft gibt es Probleme", sagt Hundsdorfer. Er ist überzeugt: "Diese Geräte wirken, sie filtern Pollen, Viren und reinigen die Luft."

Stadt Neumarkt hat Probleme mit der Ausschreibung

Auch die Stadt Neumarkt hätte gerne längst rund 400 mobile Luftreiniger in ihren Schulen und Kitas stehen. Doch die aufgrund des Auftragsvolumens nötige europaweite Ausschreibung läuft alles andere als glatt. Die im August erfolgte erste Ausschreibung musste aufgehoben werden. Es waren zwar 38 Angebote eingegangen, aber die nach den Kosten auf den ersten 14 Plätzen gelisteten Bewerber fielen alle wegen fehlender oder mangelhafter Unterlagen, ungenügender technischer Erfüllung der Aufgabenstellung (zum Beispiel zu laute Geräte) oder Nichteinhalten der Fördervoraussetzungen aus der Wertung heraus. Alle weiteren Bewerber lagen deutlich über der Auftragswertermittlung. Auch bei der nun erfolgten zweiten Ausschreibung hakt es, offenbar weil Anbieter den Klageweg beschritten haben.

Beim Landkreis Neumarkt ist dagegen alles glatt gelaufen: Man kauft 325 Luftreiniger für die Schulen bei der Firma True Sky HandelsgmbH in Wien. Von dort wird übrigens auch die Gemeinde Seubersdorf 19 Geräte beziehen. Laut Landkreissprecher Michael Gottschalk fiel die Wahl auf diese Geräte, "weil sie den Vorgaben zur Technik entsprechen, also den geforderten Luftaustausch gewährleisten und auch die Lärmwerte einhalten und überdies das wirtschaftlichste Angebot waren".

Der Landkreis bezieht Luftreiniger aus Österreich

Die Geräte der österreichischen Firma sind verhältnismäßig günstig, kosten unter 1000 Euro. Um sich von der Qualität zu überzeugen, hatte der Landkreis ein Probegerät bestellt und war davon angetan. Der Gesamt-Invest beläuft sich auf knapp 290.000 Euro bei einer Förderung von 50 Prozent, so dass auf den Landkreis 145.000 Euro zukommen. Die Geräte kommen noch im November.

Der Neumarkter Schulreferent André Madeisky schaut fast neidisch auf den Landkreis Neumarkt. "Der Landkreis hatte Glück, dass er so ein Angebot bekommen hat", sagt Madeisky, während sich bei der Stadt Neumarkt komplett andere Anbieter beworben hätten.

Madeisky kritisiert auch ein "gewisses Kompetenzvakuum", die Kommunen wüssten nicht so recht, mit wem sie wegen der mobilen Luftreiniger reden sollen. Dennoch wolle die Stadt Neumarkt an der Ausschreibung festhalten, da sei man sich im Stadtrat einig: "Wir sind alle keine Ärzte, aber wenn nur eine Oma nicht an Corona erkrankt, weil wir in den Schulen und Kitas die Luft filtern, dann hat die Anschaffung der Luftreiniger schon Sinn gemacht."

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