Neumarkt: Das Experiment gemeinsamen Malens

11.5.2019, 11:00 Uhr
Neumarkt: Das Experiment gemeinsamen Malens

© Foto: Günter Distler

Gotische Schrift hieß das früher, man hat sie sogar am Gymnasium gelernt und brauchte etwas dazu, was "Querfeder" hieß. Damit hatte sich jenseits aller individuellen Schreibschrifteigenheiten ein faszinierendes Schriftbild ergeben. Auch Ute Gräber ließ sich davon begeistern, hat ihren einstigen Beruf für die Kalligrafie aufgegeben.

Jetzt integriert sie ihre Schreibkünste in die Malerei des ansonsten Blues-besessenen Wolfgang Bernreuther. Inwieweit den beiden damit eine "Zwei-ein-ig-keit" (so der Titel ihrer Schau) gelungen ist, zeigt die neueste Kunstkreis-Jura-Ausstellung, deren Eröffnung viel Publikum in den Reitstadel lockte.

In anderes Bild hinein malen

Ein "Experiment" gemeinsamen Malens, nannte Kunstkreis-Vorsitzender Thomas Herrmann das und erinnerte an weit zurückliegendes Co-Painting von Bernhard Maria Fuchs und Harry W. Mayer. Ute Gräber gestand: "Es ist nicht so einfach, in das Bild des anderen hineinzumalen", während sich Bernreuther beim Publikum und bei den Musikern bedankte: "Was wären die Bilder, wenn sie keiner anschaut" – wie zur Bestätigung läuteten dazu die Glocken der Hofkirche.

Denn Religiosität, Glaube, Zweifel sind in der Tat ein wichtiges Thema der gemeinsamen Bilder. Gräbers Benutzung alter Schrifttypen der Vor-Buchdruck-Jahrhunderte gibt ihren Arbeiten etwas Historisches, Steifes, erinnert an alte Urkunden oder Bibel-Abschriften der mittelalterlichen Mönche. Ihre Minuskeln drängen sich in Bernreuthers christliche Symbolik – bis hin zu den Stationen eines gemeinsamen Kreuzwegs.

Bei Gräber, so die Kulturamtsleiterin Barbara Leicht in ihrer Laudatio, ist diese alte Schrift ein Hinweis "auf die intensive Religiosität der Künstlerin", und bei Wolfgang Bernreuther mache jedes Bild "seine Zweifel deutlich" – immer wieder stelle er die Frage nach dem Warum und nach der Wahrheit.

Seiner malerischen Anarchie gibt der strenge Schriftduktus von Gräber Form und Halt. Überzeugend ist das bei einigen der quadratischen Bilder wie "Figuras" oder "Acceptatio" gelungen, daneben hängen individuelle Arbeiten der beiden, die trotzdem in engem Bezug zueinander stehen.

Wie aus der Goldenen Bulle

Bei "Padre Nostro III" klemmen sich Gräbers Schriftzeichen zwischen schwarz-konkave Kontexte, die gut von Bernreuther stammen könnten. In "Deo Gratias I" besteht der Zusammenhang in einem bekrönten Königskopf und Schriftzeichen wie aus der Goldenen Bulle. Nicht alles Gemeinsame ist so gelungen wie diese intensiven Bilder.

Beide Künstler, die auf der Einladung zur Ausstellung als eine Art Briefmarke traulich miteinander posieren, leben sich in dieser Ausstellung auch individuell in ihren Bildern aus: Gräber mit thematischen Variationen in einigen dekorativen Acryl-Arbeiten, Bernreuther mit Versuchen nach den Vorbildern Twombly und Rothko. Der überzeugendste "Bernreuther" aber ist der "Engel" in Ölmalkreide: ein geflügeltes heiliges Wesen mit ausgebreiteten Händen zwischen düsteren Bleiglasfenstern und dem großen Fisch der christlichen Symbolik – alles in bewusster Naivität wie ein bäuerliches Hinterglasbild, immer zwischen Bedrohung und Heilsversprechen.

"Gottesfurcht" hatte Leicht das genannt, einen Ausdruck von "Hoffnung, Glaube, Zweifel und Verzweiflung". Wo bei Bernreuther vieles ohne jeden ästhetischen Anspruch auskommt und gerade durch seine Naivität überzeugt, lädt Ute Gräber auf einen kostbaren goldenen Stuhl ein: Ruhepause, wenn man die Reitstadelrunde hinter sich hat.

Zumindest bis 18. Mai, denn da gibt es statt Bodypainting Ute Gräbers Bodywriting: Körper-Kalligrafie mit Bernreuthers Sound-Installation (19.30 Uhr).

InfoÖffnungszeiten bis zum 2. Juni: Mittwoch bis Samstag, 14 bis 17 Uhr, Sonntag, 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr; Eintritt frei.

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