Neumarkter Polarforscherin setzt sich für die Arktis ein

25.1.2020, 06:00 Uhr
Neumarkter Polarforscherin setzt sich für die Arktis ein

© Foto: Günter Distler

Sie hat mehr als 60 Reisen in die Arktis unternommen, war 15 Mal am Nordpol. Wir sprachen mit Lutz vor ihrem Vortrag beim Neujahrsempfang über ihre Expeditionen, über die Menschen in Ostgrönland – und über Plastikmüll in den Meeren und an den Stränden.

Frau Lutz, wie kam es denn zum Wandel von der Journalistin zur Polarexpertin?

Das Interesse für die Nordgebiete war bei mir schon immer da. Als ich dann gelesen habe, dass man auf einem Eisbrecher zum Nordpol mitfahren könnte, habe ich das organisiert, um für die SZ darüber zu schreiben. Das war 2007 und ich habe eine komplett neue Welt entdeckt, die Faszination war geweckt.

Ein Jahr später kehrte ich zurück, um auf dem Schiff zu arbeiten, habe mich auf die hohe Arktis spezialisiert, sogar noch einmal ein Studium begonnen, "Circumpolar Studies" an der kanadischen University of the Arctic. Schließlich habe ich den Schweizer Abenteurer Thomas Ulrich kennengelernt, der auch schon als Redner zu Gast beim Neujahrsempfang in Neumarkt war.

Neumarkter Polarforscherin setzt sich für die Arktis ein

© Jürgen Dennerlohr

Mit ihm ging ich 2010 und 2011 auf Skiern zum Nordpol, 2013 folgte dann die Grönland-Durchquerung, die ich mit Freunden ohne Guide gemacht habe. Mit der Zeit war ich immer weniger in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung und immer mehr auf Schiffen in der Arktis unterwegs. 2014 habe ich zum ersten Mal eine Fahrt auf einem Segelschiff geleitet, dem Dreimaster SV Antigua. Und 2015 dann denn Job bei der SZ endgültig aufgegeben.

Auch ihr "Forscherleben" hat sich weiter verändert...

Die ersten Jahre stand sicher mein eigener Entdeckungsdrang dieser wundervollen Region im Mittelpunkt. Das hat sich mittlerweile geändert. Nach meiner Grönland-Durchquerung bin ich 2015 und 2016 drei Mal für etwa je einen Monat nach Ostgrönland zurückgekehrt, weil mich die Menschen noch viel mehr interessierten als das Eis – die Menschen dieser einmaligen Ära zwischen Tradition und Moderne. Ihre Geschichten wollte ich erzählen.

Sie selbst haben "Heute gehen wir Wale fangen" einmal als ihr wichtigstes Buch bezeichnet.

Das ist es sicher. Die ersten Bücher drehten sich ja quasi um meine persönlichen Abenteuergeschichten. Doch hier geht es nicht um mich, sondern um die Menschen, um eine Kultur, die gerade vollkommen verschwindet, weil wir meinen, den Menschen vorschreiben zu müssen, wie sie zu leben haben.

Ich habe viele Gespräche mit den Inuit geführt, die vom Niedergang der traditionellen Jagd nach den Kampagnen gegen die Robbenjagd erzählten. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für verheerende Auswirkungen hat. Hier stirbt eine Kultur aus, weil die Menschen nicht mehr so leben dürfen wie sie gut leben könnten.

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist auch der Kampf gegen den Plastikmüll.

Wir haben schon immer den Müll eingesammelt, aber schnell gemerkt, dass es eben nicht genügt, die Strände zu säubern, dazu ist es längst zu spät. Man muss den "Nachschub abdrehen", und dazu muss man wissen, wo der Müll herkommt. Deshalb habe ich 2016 gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven ein Citizen Science Projekt entwickelt, in dem ich mit Gästen unserer Schiffstouren – meist sind wir mit kleinen touristischen Expeditionsschiffen unterwegs – den Plastikmüll an Spitzbergens Stränden einsammle, wiege und zähle.

Alles wird genau erfasst und katalogisiert. Dabei hat sich nicht nur herausgestellt, dass sehr viel Abfall aus der Fischerei kommt (nicht nur durch die Treibnetze, oft geht der komplette Müll einfach über Bord), sondern dass die größten Verschmutzer die Cola-Plastikflaschen sind. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann müssen wir in großen Dimensionen denken, müssen die Hersteller und Konzerne zur Verantwortung ziehen.

Ich habe einen Blog über Plastikvermeidung begonnen, halte auch an vielen Schulen Vorträge über das Thema Plastikmüll.Ja, mein Antrieb hat sich weiter entwickelt, weg vom sportlichen Entdecken hin zu meinem eigenen kleinen Beitrag für den Erhalt dieser grandiosen Natur und ihrer Menschen.

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