Oberpfälzer Fan-Seele leidet mit dem 1.FC Nürnberg

26.6.2020, 18:00 Uhr
Oberpfälzer Fan-Seele leidet mit dem 1.FC Nürnberg

Wie viele Biere zur Nervenberuhigung wohl notwendig sind? "Ein paar werden es schon werden", gesteht Günther Ortner, der sich seit seinem sechsten Lebensjahr ein hohes Maß an Leidensfähigkeit bei seinem Lieblingsverein antrainiert hat und die Fernsehübertragung im kleinen privaten Kreis von Mitstreitern der Clubfreunde Pyrbaum-Rohrenstadt verfolgen wird. Nüchtern betrachtet, hatte sich das Ungemach aus Sicht des 54-jährigen Vereinspräsidenten und Auswärtsspiel-Veteranen bereits nach wenigen Spielen im vergangenen Sommer abgezeichnet.

Als im März die Corona-Pause kam und der FCN noch knapp vor der Gefahrenzone rangierte, "habe ich mir den Abbruch gewünscht." Die mit einer Ausnahme trostlosen Auftritte seither bestätigten schließlich sein Unverständnis über die Verpflichtung von Jens Keller als Trainer. Nachdem stetig "Spieler auf den falschen Positionen eingesetzt" wurden, sei in der verunsicherten Mannschaft im Vergleich zum Abschied aus der Bundesliga 2019 kaum ein Aufbäumen zu erkennen. "Es fehlt auch im Aufsichtsrat an Sachverstand", wettert Ortner, der wiederum mit seinen Gefährten auf die Rückzahlung von Dauerkarten und Auswärtstickets verzichtete.

Für den Sonntag rechnet er mit einer klaren Tendenz schon zur Halbzeit. "Entweder sie kommen in den Flow, oder es geht in die Hose". Für den schlimmsten Fall weiß sich Ortner in den Sarkasmus zu flüchten. "Die Liebe zum Club ist ligaunabhängig. Lieber steige ich ab, als Hilfe von Fürth zu bekommen."

Streicheleinheiten streichen

Längst steigt auch der Blutdruck bei Bernhard Hofbeck, der die Zweitliga-Tabelle als Jugendlicher Anfang der 2000er in der Stadionkurve höchstens von oben betrachten musste. Die in jüngster Zeit gehäuften negativen Erlebnisse "hängen schon immer ein paar Tage nach" und sorgten dafür, dass die Drähte in der internen Chatgruppe der Zappa 98, die sich nach ihrer Vereinskneipe in Freystadt benannten, heiß laufen.

Die nachgeholte Trauung eines Fanclub-Mitglieds, dessen persönliches Glück freilich auf einer Auswärtsfahrt seinen Anfang nahm, taugt gerade rechtzeitig als Stimmungsaufheller. "Am Beispiel von Kaiserslautern sieht man ja, welche Folgen ein Abstieg in die 3. Liga haben kann", so Hofbeck. Sollte die Rettung gelingen, "gibt es eigentlich trotzdem keinen Grund" zum feierlichen Anstoßen, findet er. Das Geschehen nur aus der Entfernung am Bildschirm ertragen zu müssen, stimmt ihn kaum versöhnlicher. Die Akteure genau jetzt vor einer gefüllten Fan-Kurve einzuschwören, "wäre wohl nicht verkehrt." Denn noch in der Hinrunde hätte das Team sein Potenzial zumindest angedeutet, mehrfach mit Pech und Unvermögen einen Vorsprung verspielt und so erst den Negativtrend ausgelöst. "Sie könnten es ja. Vielleicht werden die Spieler zu viel gestreichelt", meint Hofbeck.

Sehnsucht nach 1981

Seit jeher ein Gegner von Geisterspielen, sieht Richard Bayerschmidt den 1. FCN durch den Zuschauerausschluss besonders benachteiligt. "Die Unterstützung würde der Mannschaft Kraft geben", glaubt der zweite Vorsitzende des FCN-Fanclub Berching. Gipfelte die enge Verbundenheit zu den Protagonisten einst sogar in gemeinsamen Feierlichkeiten beim Mallorca-Ausflug nach dem Aufstieg unter "Zapf" Gebhardt 1981, hielten berufliche Gründe beziehungsweise ungnädige Anstoßzeiten Bayerschmidt immer öfter von Heimspielbesuchen ab. Sein persönliches Leid mache er daher nach Jahrzehnten der Treue nicht an den sportlichen Ergebnissen fest, und ärgert sich dennoch über die rätselhaften und gegen Stuttgart sogar an "Arbeitsverweigerung" grenzenden Leistungsschwankungen. "Ich hoffe, dass es mit einem Unentschieden in Kiel reicht. Wenn es anders kommt, ist man selbst schuld. Die Mängel ziehen sich an einem roten Faden von oben in der Führungsetage bis nach unten durch."

Treue bis nach Weismain

Nichts gegen die Nachbarn und die eigene Familie, die Carolin Calabrese bei der Live-Übertragung aus Kiel Gesellschaft leisten. Zu lange jedoch vermisst die mehrfache Mutter und Schriftführerin der Club Fanatics Berg inzwischen das Stadionerlebnis. "Zu Hause mitfiebern ist nicht das gleiche. Es fehlt die Gemeinschaft", die ja besonders in schweren Zeiten zusammensteht. Im Kleinkind-Alter an der Seite des Vaters mit der Vereins-DNA infiziert, feuerte Calabrese die Nürnberger Mannschaft auch schon von den Tribünen kleiner Regionalliga-Standorte wie Weismain an. "Ein echter Fan rappelt sich wieder auf, notfalls müssen wir uns aus der 3. Liga wieder hocharbeiten. Wer nicht mit Niederlagen umgehen kann, soll Bayern-Fan werden", gibt sich Calabrese angriffslustig. Bei allem positiven Enthusiasmus bricht sich nach der Corona-Pause an vielen Stellen die Irritation Bahn. "Der frühe Trainerwechsel war vertretbar, aber in der Kabine bei den Spielern scheint Jens Keller nie angekommen zu sein. Auf dem Platz wird einfach kein Plan erkennbar. Die Einzelteile arbeiten nur für sich selbst."

Verwandte Themen


3 Kommentare