Oberpfälzer Schach-Strategen wehren sich gegen Corona

13.4.2020, 16:23 Uhr
Oberpfälzer Schach-Strategen wehren sich gegen Corona

© Foto: Udo Güldner

In der Heimstätte des örtlichen Schachclubs sind die Bretter eingepackt. Seit Mitte März ruht der reguläre Ligabetrieb. Doch gespielt wird trotzdem, die Strategen haben sich im digitalen Raum eingerichtet.

Auf Online-Plattformen wie "Lichess" messen sich täglich bis zu 90 000 Spieler vor allem im Blitzschach. Das sind Partien mit weniger als 15 Minuten Bedenkzeit pro Seite. Viele mittelfränkische Clubs wie Erlangen, Lauf, Zabo Nürnberg, Noris Tarrasch Nürnberg oder Schwarz-Weiß Nürnberg sind dort vertreten. Auch der SC Postbauer-Heng versammelt dort immer mehr Anhänger.

Nachbar SK Neumarkt bietet wiederum über "Discord", ein in der Szene etwas länger bekannter Spiel-Kanal mit Nachrichtenfunktion, Trainingsübungen mit Kevin Beesk. Die Spitzenkraft des Bezirksligisten, der normalerweise von seinem Studienort Eichstätt nach Neumarkt pendeln muss, hält so mit drei weiteren Kollegen den Vereinsnachwuchs bei der Stange. "Das Angebot halte ich auch nach Ende der Corona-Krise für eine sinnvolle Ergänzung", sagt der SK-Vorsitzende Sebastian Mösl.

Das geschickte Überbrücken von Entfernungen ist für Brettstrategen indes keine Neuheit. Zum ersten Mal gab es "Fernschach" schon 1804. Damals schickte man sich die Züge noch mit der Post, später gab es telefonische Lösungen, seit den 90er Jahren auch E-Mail-Schach. Heutzutage macht der technische Fortschritt es möglich, Live-Partien im Internet spielen zu können.

Treffen nach drei Jahrzehnten

Beim SC Postbauer-Heng steht inzwischen jeden Mittwoch (19.30 Uhr) ein kleines Turnier auf dem Programm. Dabei geht es nicht nur um den Wettbewerb, sondern auch um Kontaktpflege. So freut sich Vorsitzender Karl-Heinz Ratscheu über Teilnehmer wie den früheren Mannschaftsspieler Georg Pfeiffer, den er im echten Leben lange nicht gesehen hat. Eine ähnliche Beobachtung macht Neumarkts Sebastian Mösl, der nach drei Jahrzehnten Michael Iberl virtuell wiedergetroffen hat. Der Spitzenspieler der 90er Jahre, damals mehrfacher Stadtmeister, sitzt derweil in Dachau an der Tastatur. Hinzu kommt Wolfgang Kipferl, dem es leichter fällt, sich aus Regensburg zuzuschalten, um die alten Schachfreunde wiederzusehen. Nicht alle der immerhin 120 Mitglieder sind freilich online. Einigen fehlt es an technischen Möglichkeiten, andere wollen ihrem Gegner in die Augen sehen.

Unter Jugendleiter Stefan Ratscheu fand nun auch die Premiere im Online-Training für ein knappes Dutzend Nachwuchsspieler statt. Die Eigengewächse stellen fast die Hälfte der rund 90 Mitglieder. Die Lücke, die sich durch das jähe Ende des regulären Betriebes aufgetan hat, versucht der 23-jährige Coach nun per Skype zu schließen. Eigene Erfahrungen hat Ratscheu als Schüler eines Internationalen Meisters gemacht. "Wir haben nur positive Rückmeldungen, weil die Schüler den ganzen Tag daheim sind und sich über die Abwechslung freuen. Den Jungs macht es riesigen Spaß."

Und wer nicht mit der Maus ziehen will, dem bleibt immer noch die familiäre Alternative. So wie bei Jugendtrainerin Nicole Kühn und ihrem Sohn Henry Uhl, die sich leibhaftig gegenübersitzen können. "Man muss etwas anbieten, damit sie nicht die Lust am Schach verlieren," so Mösl. Zugleich gelte es, die einmal erreichte Spielstärke nicht wieder einzubüßen.

Vereinsaustritte hat man in beiden Vereinen keine feststellen können. "Die Schachfreunde halten durch", so Ratscheu senior. Auch finanziell ist die Zwangspause keine Katastrophe. "Wir sind Amateure und zahlen niemandem Prämien oder Gehälter." Freilich fehlt Mösl der persönliche Austausch und die Möglichkeit, hernach auch eine Runde Schafkopf zu spielen. Aber auch da hat er bereits eine Online-Version aufgetan. Schmerzlicher sind die Einschnitte, die durch die Absage der Bayerischen Meisterschaften auftreten. Während Lorenz und Maria Schilay dort schon mehrfach erfolgreich waren, ärgert sich Laura Sophie Bauer darüber, ihren U10-Titel aus dem Vorjahr nicht verteidigen zu können. Auch die aufstrebende Daiana Burger darf nicht auf die Burg Wernfels fahren. Bei Postbauer-Heng trifft es Simon Koberstein und Henry Uhl, die in Bad Kissingen nicht zum Zug kommen.

Noch besteht bei Mösl die Hoffnung, dass man die abgebrochenen Ligaspiele irgendwann im Sommer nachholen kann. Auch wenn die Schach-Olympiade bereits ins nächste Jahr verschoben wurde. Während der SK Neumarkt sein großes Jugend-Open im Februar noch ohne Einschränkungen über die Bühne bringen konnte, zeigen sich bei Karl-Heinz Ratscheu Sorgenfalten, wenn er an den 1. Mai denkt. Da soll eigentlich eines der größten Turniere in ganz Bayern für die Kleinen und etwas Größeren stattfinden. Eine Tradition ist das, seit Jahrzehnten, mal mit 200, mal mit 300 Teilnehmern. "Noch haben wir nicht aufgegeben."

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