Energiewende

Postbauer-Heng: Darf ein 76-Jähriger keine Solaranlage mehr kaufen?

17.6.2021, 05:31 Uhr
Ein Elektriker arbeitet auf einem mit einer Solaranlage bestückten Dach. So eine hätte ein 76-Jähriger aus Postbauer-Heng gerne auch, aber er bekommt von keiner Firma ein Angebot.

© Patrick Pleul/dpa Ein Elektriker arbeitet auf einem mit einer Solaranlage bestückten Dach. So eine hätte ein 76-Jähriger aus Postbauer-Heng gerne auch, aber er bekommt von keiner Firma ein Angebot.

Walter Bauer fühlt sich wegen seines Alters diskriminiert. Er möchte sich eine Solaranlage für das Dach seines neu erbauten Bungalows in Postbauer-Heng kaufen, doch sobald er sagt, dass er 76 Jahre alt ist, winken alle Anbieter ab.

Der Rentner hat sein Haus in Burgthann verkauft und sich einen altersgerechten Bungalow in Postbauer-Heng gebaut. Für Heizung und Warmwasser sorgt eine Luftwärmepumpe. Die möchte der umweltbewusste Walter Bauer (Name geändert) gerne mit einer Solar-Anlage kombinieren. Die Voraussetzungen dafür wären ideal, sagt er, die circa 30 Quadratmeter große Dachfläche neigt sich nach Süden.

Telefonat schnell beendet

Im letzten halben Jahr habe er bestimmt bei rund 20 bundesweiten Anbietern und auch Beratern, die die Vermittlung lokaler Anbieter versprechen, wegen der Solaranlage angefragt - immer vergeblich. "Es ist immer Dasselbe. Ich fülle im Internet die Fragebögen aus, dann kommt der Rückruf aus einem Callcenter. Das Gespräch dauert eine Viertelstunde und am Ende kommt die Frage nach meinem Alter. Wenn ich dann sage, dass ich 76 bin, ist das Telefonat schnell beendet." Er sei inzwischen dazu übergegangen, gleich sein Alter zu nennen. "Dann legen die einfach auf."

"Das ist Altersdikriminierung", schimpft Bauer und ärgert sich sowohl über die Solarindustrie, als auch über Aussagen von Politikern wie etwa von Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne), der im September 2020 angekündigt hatte, sich für eine Solaranlagenpflicht stark machen zu wollen. Bauer: "Das ist doch realitätsfern." In seiner Verzweiflung hat der Postbauer-Henger auch schon an die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und an die sozialdemokratische Bundesumweltministerin Svenja Schulze geschrieben. Eine Antwort habe er nicht bekommen.

Lange Amortisationszeit

Auch Tanja Schatz, Projektingenieurin und Energieberaterin beim Energietechnologischen Zentrum Nordoberpfalz in Weiden, das mit der Verbraucherberatung Bayern zusammenarbeitet, spricht von einem klaren Fall von Altersdiskriminierung. Allerdings rät sie Bauer, sich das mit der Solaranlage noch einmal gut zu überlegen. Denn es könne durchaus sein, dass sich die Investition für den 76-Jährigen nicht mehr lohnt. Abhängig von der Art der Wärmepumpe und der Ausstattung der Solarthermie-Anlage amortisiert sich eine solche Hybridheizung unter Umständen erst nach zwölf bis 14 Jahren, falls ein Kredit in Anspruch genommen wird, noch später. Das könnte Bauer vielleicht nicht mehr erleben.

Zudem ist die auf 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung für den Solar-Strom, den man nicht selbst verbraucht, stark gesunken und liegt derzeit nur noch bei 7,5 Cent pro Kilowattstunde - Tendenz weiter sinkend. Allerdings, so Schatz, seien die Anlagenpreise auch deutlich niedriger als noch vor 20 Jahren.

Hohe Kosten

Billig ist so eine Hybridheizung dennoch nicht: Für eine Luftwärmepumpe fallen, je nach Aufstellungsort und Ausführung, Kosten zwischen 13.000 und 24.000 Euro an. Eine Solarthermie-Anlage zur Trinkwassererwärmung kostet je nach Kollektortyp zwischen 3500 und 7000 Euro. Soll die Anlage auch die Heizung unterstützen, ist mit Ausgaben von 8000 bis 10.000 Euro zu rechnen. Die Gesamtkosten für eine Hybridheizung aus Wärmepumpe und Solaranlage liegen damit circa zwischen 16.500 Euro und 35.000 Euro.

Schatz gibt zudem zu Bedenken, dass Solaranlagen nur in den Übergangsmonaten, wenn die Sonneneinstrahlung schon etwas höher ist, die Heizung mittels Wärmepumpe wirksam unterstützen. "Im Winter ist der Ertrag aus der Solar-Anlage gering, da muss man dann trotzdem viel Strom zukaufen." Da braucht es also gute Beratung von einem Fachmann - "und die bekommt man am ehesten bei einem lokalen Anbieter", so ihr Rat an Walter Bauer und andere Interessierte.

Riesige Nachfrage

Ein solcher lokaler Anbieter ist Andreas Thoma mit seiner Firma Jurasol-Solartechnik in der Löwenthalstraße in Neumarkt. Er weiß auf Nachfrage der Neumarkter Nachrichten sofort, warum Werner Bauer bisher kein Angebot für eine Solaranlage bekommen konnte: "Die Nachfrage nach solchen Anlagen ist derzeit riesig, die Firmen können sich die Kunden quasi aussuchen." Und weil die Beratung und Angebotserstellung viel Zeit und damit Geld kosten und bei einem 76-Jährigen das Risiko besteht, dass der Kunde am Ende erkennt, dass sich die Anlage für ihn nicht lohnt und deshalb abspringt, wollen sich die meisten Anbieter die Arbeit offenbar erst gar nicht machen.

Thoma kann Bauer und anderen Kunden in einer ähnlichen Lage aber ein Alternativ-Angebot machen: ein "Balkon-Kraftwerk". Das ist eine Mini-Photovoltaik-Anlage, die in der Regel unter 1000 Euro kostet, sich also schneller amortisiert. Thoma nennt so eine Anlage "Solidar-Kraftwerk", weil sie es auch älteren Kunden ermöglicht, grünen Strom zu erzeugen und so etwas für die Energiewende und den Klimaschutz zu tun. "Mein ältester Kunde war 78 Jahre alt", berichtet Thoma.

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