Freispruch für Zusteller

Postbote vor Gericht: Hat er das Paket aufgerissen?

30.7.2021, 10:00 Uhr

Am 25. März hatte ein Bürger aus dem Landkreis beobachtet, wie ein Postauto an einer Bushaltestelle anhielt. Der Fahrer sei ausgestiegen, habe sich eine Zigarette angezündet und dann ein Paket aufgerissen. Die Fetzen stopfte er in einen Papierkorb. Der Zeuge teilte der Polizei mit, was er gesehen hatte, und die Beamten fanden tatsächlich die Reste des Pakets. Der Verdacht richtete sich folgerichtig auf den Zusteller, auf dessen Route die Bushaltestelle liegt, ein 34-jähriger Familienvater.

Schnell war geklärt, dass es sich bei der kleinen Sendung um einen Irrläufer handelte, der bereits zum dritten Mal bei der Verteilerstelle in Berg gelandet war. Das Päckchen sollte eigentlich nach Weiden gehen, kam dort aber wegen eines Zahlendrehers bei der Postleitzahl nicht an. Die Polizei stellte über den Absender fest, dass es sich beim Inhalt um Kosmetika im Wert von etwa 100 Euro gehandelt hatte.

Der Angeklagte stritt vehement ab, etwas mit diesem Delikt zu tun gehabt zu haben. Von dem Irrläufer habe er wie seine zehn Kollegen, die in Berg ihre Ladung aufnehmen, gewusst. Aber in seinem Fahrzeug sei das Paket nicht gelandet. Das könne er beweisen. Alle Sendungen, die er einlade, würden elektronisch registriert und auch von der Dienststelle auf diese Weise erfasst. Dieses Vorgehen bestätigte auch ein vorgesetzter Mitarbeiter der Post.

Es hing also viel von der Aussage des Zeugen ab, der den Vorfall an der Haltestelle beobachtet haben wollte. Doch den zur Aussage vor Gericht zu bewegen, gestaltete sich schwierig. Mit „schwierig“ wurde auch der Charakter des jungen Mannes beschrieben, der dann von der Polizei an seinem Wohnort abgeholt werden musste.

Doch die Befürchtungen, es könne vor Gericht zu tumultartigen Szenen kommen, bewahrheiteten sich nicht. Der Zeuge war lammfromm, verteilte artig Komplimente an die Polizisten, die ihn gebracht hatten und amüsierte allenfalls durch seinen ungebremst sprudelnden Redefluss. Doch letztendlich sorgte seine wortreiche Aussage für den Freispruch.

Schlank statt korpulent

Bei der Anzeige auf der Polizei-Inspektion hatte er den fraglichen Zusteller als klein und korpulent geschildert mit „osmanischem Aussehen“. Doch der Angeklagte ist schlank und groß und lediglich dunkelhaarig. Es bestehe zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem mutmaßlichen Täter, sage der Zeuge, aber zu 100 Prozent könne er ihn nicht wiedererkennen.

So fasste Staatsanwältin Sabrina Hinzmann zusammen, dass der Tatvorwurf nicht aufrecht erhalten werden könne. Der Angeklagte sei frei zu sprechen, die Kosten müsse die Staatskasse übernehmen. Da konnte Verteidigerin Ute Behrendes nur lachend zustimmen und Richter Rainer Würth entschied entsprechend. Doch so ganz überzeugt war er nicht: „Wenn Sie es doch waren, soll Sie der Teufel holen. Dann haben Sie mich kräftig angelogen“.

Doch der junge Angeklagte stolzierte keineswegs fröhlich aus dem Gerichtssaal. Mit Tränen in den Augen klagte er: “Niemand weiß, was meine Familie in den letzten Wochen durchgemacht hat."


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