Urenkel von Ambrosius Hiltl sucht Verwandte

Schneider aus Utzenhofen gründete das heute älteste vegetarische Restaurant der Welt

7.9.2021, 12:00 Uhr
Rolf Hiltl (2.v.li.) betreibt in Zürich das „älteste vegetarische Restaurant der Welt“ (Guinness Buch der Rekorde). Die Suche nach Nachfahren seines Urgroßvaters Ambrosius Hiltl führten den Schweizer und seine Tochter Céline ins Atelier  der Neumarkter Künstlerin Alexandra Hiltl, deren Sohn Josef Ambros heißt. Ein Zufall?  

© Anestis Aslanidis, NN Rolf Hiltl (2.v.li.) betreibt in Zürich das „älteste vegetarische Restaurant der Welt“ (Guinness Buch der Rekorde). Die Suche nach Nachfahren seines Urgroßvaters Ambrosius Hiltl führten den Schweizer und seine Tochter Céline ins Atelier  der Neumarkter Künstlerin Alexandra Hiltl, deren Sohn Josef Ambros heißt. Ein Zufall?  

Am Montag um 10 Uhr läutet es bei Alexandra Hiltl an der Tür. Davor steht auch ein Hiltl, aber einer, mit dem die bekannte Neumarkter Künstlerin bisher nur über Telefon und Internet Kontakt hatte. Rolf Hiltl hat aus der Schweiz seine 24-jährige Tochter Céline mitgebracht. Ob es ein Familientreffen wird? Man weiß es noch nicht. Der Beginn einer neuen Freundschaft? Könnte gut sein.

Rolf Hiltl führt in Zürich das - guinessbook-geprüft - älteste vegetarische Restaurants der Welt. Kurz vor der Jahrtausendwende hat er das "Hiltl" von seinem Vater übernommen. Da war das Restaurant in der Sihlstrasse schon geschlagene 100 Jahre alt. 1898 wurde es von Anhängern der Lebensreformbewegung als "Vegetarierheim und Abstinenz-Café" eröffnet. "Vegetarier wurden damals als Grasfresser verspottet", sagt Rolf Hiltl. "Sie trauten sich oft nur durch die Hintertür ins Café."

Einer der wenigen Gäste war damals ein Schneidergeselle aus Utzenhofen. Ambrosius Hiltl ging wie viele junge Handwerker seiner Zeit auf Wanderschaft. Nach einigen Aufenthalten im Alpenraum ließ er sich im Herbst 1897, im Alter von 20 Jahren, in Zürich nieder. 1901 erkrankte er an der Gicht. "Er hatte wohl zu viel Schweinshaxe gegessen", meint sein Urenkel. Ihn wundert das nach seiner mehrtägigen Stippvisite in Bayern mit einigen Gasthausbesuchen überhaupt nicht: "Uns ist aufgefallen, wie fleischlastig hier alles ist."

Das „Vegetarierheim“ in Zürich, 1898 eröffnet, hatte es anfangs schwer. Angesichts der vielen Spötter traute sich kaum ein Gast hinein, zumindest nicht durch die Vordertür.

Das „Vegetarierheim“ in Zürich, 1898 eröffnet, hatte es anfangs schwer. Angesichts der vielen Spötter traute sich kaum ein Gast hinein, zumindest nicht durch die Vordertür. © Repro: Rolf Hitl, NN

Ambrosius' Arzt prophezeite ihm einen frühen Tod, sollte er nicht sofort seine Ernährung umstellen, vor allem auf Fleisch verzichten. Der Tipp eines Freundes führte ihn ins "Vegetarierheim", im Volksmund "Wurzelbunker" genannt. Doch der Oberpfälzer fand nicht nur Geschmack an der fleischlosen Kost, viel wichtiger, sein Gelenkrheuma verschwand schon nach wenigen Monaten.

Doch das Geschäft lief schlecht. Bis Ambrosius im Jahr 1903 die Leitung übernahm und schnell für steigende Umsätze sorgte. Heute besteht das "Hiltl" aus mehreren Betrieben mit insgesamt 250 Mitarbeitern; zu seiner Gründungszeit hielten zwei Küchenmädchen, eine Serviertochter und eine Köchin den Laden am Laufen.

Veggie-Poinier Ambrosius Hiltl aus Utzenhofen und seine Frau Martha, die Küchenchefin des Vegetarierheims.

Veggie-Poinier Ambrosius Hiltl aus Utzenhofen und seine Frau Martha, die Küchenchefin des Vegetarierheims. © Repro: Rolf Hitl, NN

In der Küche herrschte die streng vegetarisch lebende Martha Gneupel. Zwischen Weisskabis und Krautstiel hat es dann gefunkt: Ambrosius, inzwischen der Inhaber des Restaurants, heiratete schließlich die Sächsin Martha. Von da an nahm die gastronomische Erfolgsgeschichte ihren Lauf.

Doch zurück zu den Anfängen in der damals noch bettelarmen Oberpfalz: Ambrosius Hiltl wurde am 12. Juli 1877 in Wolfersdorf bei Utzenhofen geboren. Das kleine Dorf liegt heute fast genau auf der Grenze der Landkreise Neumarkt und Amberg-Sulzbach. Der Stammhof der Bauernfamilie Hiltl hatte die Hausnummer 1.

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Eine aktuelle Studie liefert das überraschende Ergebnis: 2021 liegt Veggie-Grillen absolut im Trend. © Didier van der Heijden, obs

Rolf Hiltl klappt ein stilvolles Stammbuch auf, in dem der Uropa noch zu Lebzeiten seine Vorfahren bis zurück ins Jahr 1649 verewigt hat. Ein Adam Hiltl macht den Anfang. Nach einigen Seiten wird es dann spannend: bei Stephan Hiltl (1837-1923), Ambrosius' Vater. Er sei "Landwirt in Utzenhofen" gewesen, steht da. "Das war das Haus Nr. 12", weiß sein Nachfahre inzwischen. "Das steht heute aber nicht mehr."

Bauer Stephan nahm Theresia Schuster aus Pilsach zur Frau. Das Paar hatte sechs Kinder; Ambrosius war das dritte. Den "Pionier vegetarischer Gastlichkeit", wie ihn der Sohn des berühmten Schweizer Ernährungsreformers Max Bircher einst nannte, darf man sich aber nicht als Sonderling, als freudlosen "Kerndlfresser" vorstellen. Seine Zeitgenossen beschreiben ihn als weltoffenen, risikofreudigen und vielseitig interessierten Unternehmer mit Liebe zu allem Schönen: Oper, Natur, Bilder und Möbel, Kleider und Reisen.

Vegetarisches Kochbuch

Rolf Hiltls Reise in die Heimat des Urgroßvaters ist Folge eines vegetarischen Kochbuch, das der gelernte Koch 2019 veröffentlicht hat. Darin geht er auch näher auf die Geschichte des Restaurants und somit seiner Familie ein. Und es wäre ja auch zu schön, würde er zwischen Neumarkt und Kastl noch entfernt verwandte Hiltls finden. Bisher wurde er aber noch nicht fündig.

Die Vorfahren von Alexandra Hiltl stammen allerdings aus dem Raum Hohenfels. Was nicht heißen muss, sagt sie, dass es nicht doch irgendeine Verbindung zu Ambrosius gebe. Was auffällig ist: Ihr Sohn heißt mit zweitem Vornamen Ambros. "Das ist aber reiner Zufall", sagt Alexandra Hiltl - stutzt und lacht. Oder steckt doch mehr dahinter?

Wer mit Ambrosius Hiltl aus Utzenhofen/Wolfersdorf verwandt ist oder Näheres zur Familie Hiltl aus dem Raum Utzenhofen weiß, der kann sich bei Rolf Hiltl unter presse@hiltl.ch melden. Gerne stellen auch die NN den Kontakt her: unter redaktion-neumarkt@pressenetz.de oder Telefon (09181) 4507-0.

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