Schüler, Eltern und Lehrer ins kalte Wasser geschubst

7.6.2020, 17:08 Uhr
Schüler, Eltern und Lehrer ins kalte Wasser geschubst

© Foto: imago

"Einige Eltern sind massiv unzufrieden, andere haben viel Verständnis", fasst Tareq Weinhold, Elternbeiratsvorsitzender am Ostendorfer-Gymnasium (OG) die Lage zusammen. Seine Tochter besucht das OG, sein Sohn das Willibald-Gluck-Gymnasium (WGG). Viele Lehrer würden sich sehr bemühen, den digitalen Unterricht in diesen schwierigen Zeiten zu gestalten, hätten viele Ideen, so Weinhold. Aber es gibt seiner Ansicht nach zu wenig Konventionen, sprich: einheitliche Maßgaben, wie der Unterricht zu gestalten ist.

Das beginne bei der Kommunikation. Während am OG gelte, dass die Kommunikation mit den Eltern über das Elternportal laufe, die mit den Schülern über mebis, gebe es am WGG viele verschiedene Kommunikationswege, so dass es schwierig sei, einen Überblick zu behalten.

Den Unterricht gestalte jeder Lehrer anders, der eine setze auf Unterlagen zum Ausdrucken, der andere rein auf E-Learning. "Und wir Eltern müssen für beide Wege Schnittstellen zur Verfügung stellen, da ist viel Infrastruktur nötig", klagt Weinhold. Er als Vater sei auch gefragt, wenn es zum Beispiel gilt, pdf- in word-Dokumente umzuwandeln, damit der Lehrer sie korrigieren kann. "Die Lösung wäre eine Formulardatei, die kann man ausdrucken oder am PC bearbeiten", schlägt Weinhold vor.

Der Elternbeiratsvorsitzende erkennt an, dass die Lehrer in der gleichen schwierigen Situation sind. Die meisten hätten digitale Medien bisher nur zur eigenen Vorbereitung genutzt, waren also reine Anwender. Jetzt sollen sie Output produzieren und mit den Rückmeldungen der Schüler umgehen. Das stellt nach Ansicht von Weinhold gerade die jüngeren und die älteren Lehrer vor große Herausforderungen. "Und alle Wege schlagen ungefiltert bei uns Eltern auf."

Auch die Schüler hätten unter der Situation zu leiden. Jeder Schüler arbeite zuhause für sich allein, der Austausch fehle. Die meisten Schüler hätten Leistungsdefizite aufgebaut. Besonders problematisch sei die Situation für die achten Klassen am Gymnasium. "Das sind die Letzten im G8, wenn die sitzenbleiben, landen sie im G9", sagt Weinhold. Ein Konzept für die achten Klassen gebe es nicht. "Die starten noch dazu als letztes, gehen faktisch nur noch drei Wochen in die Schule." Letzteres gelte auch für die zehnten Klassen.

Weinhold hätte sich mehr Unterstützung vom Kultusministerium gewünscht. "Ich bin mit der Staatsregierung mehr unzufrieden als mit der Schulleitung", sagt der Elternbeiratsvorsitzende. Er wünscht sich jetzt vor allem einen Fahrplan mit eindeutigen Vorgaben für das kommende Schuljahr, wie die Schüler fehlendes Wissen aufholen können.

Zum anderen sei es nötig, die Erfahrungen der letzten Wochen mit Homeschooling, digitalem Unterricht und E-Learning aufzuarbeiten, etwa durch eine statistische Erhebung und eine Elternbefragung. Weinhold: "Da wurden ganze Gruppen ins kalte Wasser geschubst und keine Lehren daraus gezogen." Um für die Zukunft zu lernen und das erworbene Wissen zu erhalten, so hofft Weinhold, sollte das wenigstens die Schulgemeinschaft nachholen.

Im Großen und Ganzen habe es gut funktioniert, ist die Bilanz von Andreas Goting, Stadtelternbeiratsvorsitzender und Elternbeiratsvorsitzender an der Mittelschule Weinberger Straße. Die Qualität des digitalen Unterrichts hänge von den einzelnen Lehrkräften ab: "Manche haben alles akribisch gemacht, andere wenig."

Viele Schüler, so seine Beobachtung, hätten Ängste aufgebaut, den Lehrplan nicht zu schaffen. Er persönlich habe seinen Sohn, der die M8 besucht, im Homeoffice gut begleiten können. "Letztendlich ist die Situation aber nicht optimal, ich hoffe, dass sie nicht mehr lange anhält", sagt Goting. "Das Ergebnis werden wir wohl erst in einem halben Jahr sehen, ob die Schüler dann noch mitkommen." Er hofft, dass keinem Kind Nachteile entstehen.

Gerlinde Sturm, Erste Vorsitzende des Schulforums am Willibald-Gluck-Gymnasium, sind nur ganz wenige Elternbeschwerden zu Ohren gekommen. Nur anfangs habe es Probleme mit dem digitalen Unterricht gegeben, "inzwischen läuft es super, die meisten Lehrer kriegen das gut auf die Reihe". Der Lernerfolg sei natürlich auch vom jeweiligen Kind abhängig.

Die Schüler hätten in der Schule aber grundsätzlich eine bessere Struktur als zuhause. Der Stoff könne nicht komplett über Homeschooling vermittelt werden. Im neuen Schuljahr werde man sehen, was nachgebessert werden muss.

Jan Gründer, Elternbeiratsvorsitzender der Knabenrealschule, wollte "aufgrund der Heterogenität der Rückmeldungen zum Homeschooling" aktuell keine öffentliche Stellungnahme aus Elternsicht abgeben.

 

Keine Kommentare