Kirche

Sind die Mohrenfiguren in der Neumarkter Münsterkrippe rassistisch?

7.5.2021, 06:17 Uhr
Sind die Mohrenfiguren in der Neumarkter Münsterkrippe rassistisch?

© Foto: Günter Distler

Die Bibel erzählt bekanntlich, wie Jesus bei der Hochzeit von Kana sein erstes Wunder vollbringt: Er verwandelt Wasser zu Wein, weil dieser der Hochzeitsgesellschaft ausgegangen war. Jesus lässt sechs Amphoren mit Wasser füllen, ein Diener gibt dem Speisemeister davon zu trinken – und der kostet Wein.

Dieser Moment, den die Bibel beschreibt, ist in der Münsterkrippe zu sehen. Eine der Mohrenfiguren gießt Jesus das Wasser ein, die zweite gibt dem Speisemeister den verwandelten Wein.

Soll die Darstellung entfernt werden?

Ist diese Darstellung nun rassistisch und sollte entfernt oder – zum Beispiel mit einem Begleittext neben der Krippe – zumindest historisch eingeordnet werden? So hatte etwa die evangelische Münstergemeinde in Ulm im letzten Jahr ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt – und die Heiligen Drei Könige aus ihrer Weihnachtskrippe verbannt. Die drei Figuren, darunter ein schwarzer Melchior mit dicken Lippen und unförmiger Statur, sollten vorerst nicht gezeigt werden, sagte der dortige Dekan Ernst-Wilhelm Gohl.

Rassistische Darstellungen in den Kirchen

Dies löste sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche eine Debatte über den Umgang mit solchen offensichtlich rassistischen Darstellungen aus. Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, äußerte sich gegenüber dem Fernsehsender n-tv so: "Für mich ist entscheidend, ob mit der Darstellung unterschiedlicher Hautfarben implizit oder explizit unterschiedliche Wertigkeiten zugeschrieben werden", sagte der bayerische Landesbischof. "Bei den Heiligen Drei Königen geht es um hochstehende Persönlichkeiten, die zusammen mit den armen Hirten zur Krippe kommen. Unterschiedliche Wertigkeiten werden hier gerade nicht zugeschrieben. Im Gegenteil."


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Klischeehafte oder diskriminierende Darstellungen der Heiligen Drei Könige in Weihnachtskrippen sollten nach Einschätzung der katholischen Kirche ersetzt werden. Dies erklärte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, dem Kanal Domradio.de. Sinnvoll seien Darstellungen, "in denen dunkelhäutige Menschen sich wiedererkennen können", so Kopp. Die drei Weisen oder Könige stünden dafür, "dass Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und aus unterschiedlichen Völkern Christus verehren".

Krippen-Figuren taugen nicht zur Identifikation für dunkelhäutige Menschen

Wer diesen Maßstab auf die Neumarkter Münsterkrippe anlegt, der muss wohl zu dem Urteil kommen, dass den dort gezeigten Mohrenfiguren als Diener ganz offensichtlich nicht dieselbe Wertigkeit zugeschrieben wird wie den anderen Figuren und dass diese auch nicht zur Identifikation für dunkelhäutige Menschen taugen.

Diese Problematik ist Krippenpfleger Josef Wittmann, der seit vielen Jahren die Münsterkrippe betreut, auf Nachfrage durchaus bewusst. Die Rassismusdebatte geht ihm allerdings etwas zu weit. Die in der Münsterkirche gezeigten Figuren stammten aus einer total anderen Zeit, aus dem Barock. "Die Krippe geht auf die Gegenreformation im 17. Jahrhundert zurück, als Jesuiten nach dem Dreißigjährigen Krieg die Bevölkerung für den katholischen Glauben gewinnen wollten", erzählt Wittmann.

Darstellung der "Mohren" ist typisch für die Barockzeit

Es handle sich also nicht um eine Darstellung der Bibelszenen, wie man es heutzutage machen würde, und auch nicht um die Abbildung der Verhältnisse zu Christi Zeiten vor 2000 Jahren. Die Figuren seien prächtig gekleidet, weil es so für Barockzeit typisch gewesen sei. Und dazu gehöre, so Wittmann, eben auch die Darstellung von Mohren als Diener.


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Die beiden Mohrenfiguren wurden übrigens erst 2016 angefertigt. Die Wachsköpfe der beiden Pagen hat die Wachskünstlerin Gundelinde Asanger aus Mering restauriert. Bekleidet hat sie dann das damalige Schneiderteam, Gisela Herbert, die Frau des evangelischen Ruhestandspfarrers Ernst Herbert, die damalige Gemeindereferentin Regine Schneider und der Schneider Loukman Charaf aus Aleppo.

Könige und Fürsten zeigten ihren Status mit schwarzen Dienern

In der Tat war der "Kammer- oder Hofmohr", meist von Sklavenhändlern verschleppte afrikanische Kinder, eine Erscheinung aus der Renaissance des 16., noch typischer aber in der barocken Prachtentfaltung des 17. und 18. Jahrhunderts. Könige und Fürsten wollten damals ihren Status und ihre Weltläufigkeit mit dem exotischen Äußeren ihrer Bediensteten unterstreichen. Das fand auch Eingang in die Kunst, ist etwa auf zahlreichen Gemälden der Zeit zu sehen.

Wittmann erinnert auch an die sogenannten "Beutetürken": Das waren osmanische Kriegsgefangene während der sogenannten Türkenkriege, welche im 17. und 18. Jahrhundert nach Deutschland verschleppt und vollständig assimiliert wurden. "Diese historische Einordnung sollte man immer im Hinterkopf haben, wenn man die Münsterkrippe betrachtet", betont der Krippenpfleger.

Die Anregung, neben der Krippe eine Tafel aufzustellen, die dem Betrachter diese historischen Zusammenhänge aufzeigt, will er gerne aufnehmen.

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