Tolles Spektakel: Der fliegende Holländer im Yachthafen Berching

3.11.2018, 12:03 Uhr
Tolles Spektakel: Der fliegende Holländer im Yachthafen Berching

© Alle Fotos: Fellner

Lautlos gleitet die "Fortune" über den Kanal, kommt langsam rüber zum Ufer, an dem der Kran steht. "Der starke Franke" steht am Heck des roten Autokrans, und diese Kraft braucht der Kranfahrer etwas später auch, um die "Fortune" aus dem Wasser zu bringen. Denn der Pott ist schwer.

"Die ist 15 Meter lang, 19 Tonnen schwer abzüglich 500 Kilogramm für die Mannschaft an Bord", sagt Andreas Talar und grinst. Es ist für ihn die letzte Fahrt mit der "Fortune", deshalb bleibt er mit seinen Bekannten auch an Bord, als der Kran den Kahn aus dem Wasser zieht. Andererseits: Wie hätten sie auch ans Ufer kommen sollen, das Boot wird direkt aus dem Kanal an Land gehoben.

Mit an Bord ist auch schon der neue Schiffseigner. "Der hat mir das Boot abgeluchst", sagt Talar und lacht vergnügt. Die "Fortune", erklärt er, ist Baujahr Ende der 80er Jahre, so genau weiß man das nicht. Als Talar sie kaufte, lag sie noch in Polen. 2009 kam sie nach Deutschland, landete im kleinen Rothsee, erst im Trockendock, dann am Steg. Von dort ging es rüber in den Main-Donau-Kanal und jetzt ist Schluss mit dieser arbeitsintensiven Liebesbeziehung. Talar: "Ich habe 25 Jahre an ihr herumgebaut."

Der neue Eigner heißt Matthias Lossau und kommt aus Plauen. Er ist auch schon an Bord. Der Kran schwenkt seinen mächtigen Arm über das Boot, am Haken hat er eine Spezialkonstruktion made in Berching: Ein Stahlstangengeviert, an dem zwei große Schlaufen hängen. Da die "Fortune" eine Nummer größer ist als das, was sonst so im Hafen in Berching zuhause ist, hat Dominik Scholl, Vorsitzender des Yachtclubs, auch die Wasserwacht mit zwei Tauchern kommen lassen. Doch die werden nicht nass an diesem wunderbaren Herbsttag.

Als die Sonne endgültig über die Jurahochebene steigt und das Tal in tausend Herbstfarben leuchten lässt, haben die fünf Mann an Bord die Schlaufen schon unter den Bug und das Heck gezogen und an den entsprechenden Stellen fixiert. Ewald Hauser, der das Kranen leitet und vom Ufer aus Anweisungen gibt, reckt den Arm in die Höhe und dreht mit dem Daumen Kreise in die Luft – der Kranführer schiebt den Joystick etwas nach vorne und langsam wird der Bug der "Fortune" immer höher, höher – und dann schwebt sie schon knapp über dem Wasser. Von der Finne tropft das langsam ablaufende Wasser, es geht noch etwas höher – und dann pfeift die Sicherung im Kran. Ein, zweimal ganz kurz, der Kranführer hebt den Arm schnell ein Stück an.

"Der kann schon an die 20 Tonnen heben, aber der Kranarm darf dabei einen bestimmten Winkel nicht überschreiten", sagt Dominik Scholl. Da sitzt die "Fortune" schon auf Holzklötzen am Ufer, Talar und Lossau haben das Schiff über eine hohe Leiter bereits verlassen und inspizieren den Rumpf des Kahns. Lossau hat mit dem Boot große Pläne. Bis 2020 will er es nach seinem Gusto herrichten, verrät er, und dann soll es über die Donau ins Schwarze Meer und von dort ins Mittelmeer gehen. "Das ist mein Traum", sagt er und lacht: "Dann kann ich sagen: Ich habe ein Schiff im Mittelmeer und keine Mittel mehr."

Kaum sitzt die "Fortune" auf dem Trockenen, geht es schon weiter. Ein Schiff, das schon auf der Wiese, aber im Weg steht, wird umgesetzt, dann greifen die Segler vereint an. Ruckzuck werden die anderen Schiffe, die im Hafen liegen, an Land geholt. Der Grund für die aufwändige Aktion: Der Kanal friert im Winter meist zu und wenn ein Schiff in der Fahrrinne passiert und dabei Wasser ins Hafenbecken drückt, können die Bootsrümpfe Schaden nehmen.

Rund 50 Mitglieder zählt der Verein, während der Saison kommen auch noch Gäste dazu. "Einen Berchinger mit Schiff gibt es bei uns aber nicht", sagt Scholl. Die Bootseigner kommen überwiegend aus dem Fränkischen, wie der Dialekt verrät, aber auch bis aus Augsburg, Ingolstadt oder München, die Saisongäste aus Erfurt, Göppingen, Zweibrücken und Plauen. Das längste Schiff, das im Berchinger Hafen liegt, misst 15 Meter und wiegt 18 Tonnen. Das ist auch der Trend, sagt eine ältere Dame, die mit ihrem Mann ein wesentlich kleineres Boot ihr Eigen nennt: "Die werden immer größer." Und damit auch komfortabler.

"Wir fahren gerne über den Kanal Richtung Donau und dann bis Wien. Da bleiben wir eine Woche, das ist Erholung pur für mich", sagt die Frau. Nur leider werde es mit den Jahren immer schwieriger. "Ich alleine kann mit dem Motor gar nichts anfangen und mein Mann ist halt auch schon älter."

Da sind schon die ersten zehn der 40 Schiffe im Trockenen. "Das geht wie Brezelbacken", sagt eine Frau. Wenn die Schiffe aus dem Wasser sind, werden noch die Stege abgebaut. Dann kann der Winter kommen. Und im Frühjahr geht alles wieder retour. Der Termin steht schon fest: Am 6. April soll der Autokran wieder anrücken.

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