Vergewaltigung war nicht mehr zu beweisen: 22-Jähriger freigesprochen

12.11.2020, 09:31 Uhr

Der Angeklagte, ein heute 22 Jahre alter Schüler, sei bereits zwei Mal, so sagte es die junge Frau aus, mit ihr intim gewesen. Beide Male hätte sie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr verspürt und ihn gebeten, aufzuhören. Was er auch getan habe. Doch in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 2018 habe er sich nicht darum geschert, als sie ihn weggedrückt und mehrmals aufgefordert habe, innezuhalten.

Ihr sei es vorgekommen, als habe er noch fünf Minuten weitergemacht, einer Freundin erzählte sie, er habe sich nach kurzer Zeit zurückgezogen, in einem Gespräch mit einem guten Freund war von 15 bis 20 Minuten die Rede. Aber so genau konnte sich dieser als Zeuge auch nicht erinnern.

Beide zogen weiter gemeinsam um die Häuser

Die Staatsanwältin habe so ihre Probleme, sich das Verhalten des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers nach der Tat zu erklären. Denn nach wie vor gehörten beide zur gleichen Clique, die gemeinsam um die Häuser zog.

Das ergab sich auch daraus, das beide Familien seit vielen Jahren gut bekannt waren. Der Bruder des Mädchens war und ist ein Freund des Angeklagten. Als Zeuge war er wenig hilfreich. Er habe sich, auch nachdem er von dem Vorfall erfahren hatte, raushalten wollen.

Er hatte dem damals 20-Jährigen und dessen Bruder "Asyl" gewährt, als diese bei Mutter und Stiefvater ausgezogen waren, weil ihnen die elterliche Streiterei zu viel wurde. Von Anfang Dezember 2018 bis März 2019 wohnten sie mit der jungen Frau weiter unter einem Dach.

Heuer im späten Frühjahr will der Angeklagte erfahren haben, dass die junge Frau ihn beschuldige, sie vergewaltigt zu haben. Bei einem Besuch ihrer Eltern aus einem anderen, rein finanziellen Anlass stellte er sie zur Rede. Er habe nur sachlich über die fragliche Nacht reden wollen, aber sie habe gleich zu schreien begonnen. Kurz danach erfolgte die Anzeige bei der Polizei.

Der Angeklagte, der von Jürgen Messer vertreten wurde, sprach von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr. Mit Sicherheit habe er dem Mädchen keine Gewalt angetan und ihr nicht bewusst Schmerzen zugefügt.

Vor Gericht stellten sich zwei Fragen: Warum wurde erst eineinhalb Jahre nach der angeblichen Tat Anzeige erstattet und warum wandte sich die junge Frau nicht konsequent von dem Burschen ab, der ihr weh getan haben sollte. Die Antworten der Zeugin liefen jeweils darauf hinaus, dass sie Angst vor ihm gehabt hätte. Seit vier Jahren ist die heute 19-Jährige in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung. Der Ärztin öffnete sie sich aber ebenfalls erst im Juni dieses Jahres.

Seit Jahren in psychiatrischer Behandlung

Während die Entlastungszeugen nur wenig Erhellendes beitragen konnten, war die Aussage der besten Freundin des Opfers von entscheidender Bedeutung – für Staatsanwältin, Verteidiger und Richter. Die berichtete, dass sich die beiden Tage oder Wochen nach dem Vorfall im Dezember 2018 immer wieder über den Umgang mit Schmerzen beim Geschlechtsverkehr allgemein unterhalten hätten, und das Thema Vergewaltigung nur angerissen worden sei.

Die Zeugin erzählte, dass ihre Freundin sich nach wie vor für den Angeklagten interessiert und beobachtet habe, mit wem er so in der Disko "rummacht". Das nährte die Vermutung des jungen Mannes, dass sie mit der Anzeige späte Rache dafür üben wolle, weil er eine feste Beziehung mit ihr abgelehnt habe.

Richter hatte Zweifel an der Tat

Den Verdacht konnte auch Staatsanwältin Kroiss nicht von der Hand weisen. Die Anklagepunkte ließen sich nach umfangreicher Verhandlung mit sieben Zeugen nicht aufrecht erhalten. Sie votierte auf Freispruch. Rechtsanwalt Jürgen Messer sah es wenig überraschend genauso.

Richter Michael Müller jedoch glaubte nicht, dass die junge Frau bewusst die Unwahrheit gesagt hatte, aber die Aussage ihrer Freundin ließen Zweifel aufkommen, dass es tatsächlich so passiert war, wie von ihr geschildert. An der Unschuld des Angeklagten habe er auch so seine Zweifel. Aber unter dem Strich bleibe nur ein Freispruch. Die Kosten trägt die Staatskasse.