Weil nichts mehr half: Cannabis selbst angebaut

10.12.2019, 10:00 Uhr
Weil nichts mehr half: Cannabis selbst angebaut

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Die besondere Schwere der ihr zu Last gelegten Taten zeigte die Zusammensetzung des Gerichts: Amtsrichter Rainer Würth saßen zwei Schöffen zur Seite. Damit ging es nicht mehr um ein Vergehen, sondern um ein Verbrechen, das der Angeklagten zur Last gelegt wurde.

Im Keller ihres Hauses, so verlas Staatsanwältin Lisa Rackl die Anklageschrift, soll die 53-Jährige vier Cannabis-Pflanzen und drei Setzlinge angepflanzt und herangezogen haben. Daneben waren mehrere Kilogramm "verarbeite Ernte" vorgefunden. Der Wirkstoffgehalt (THC) bewegte sich allerdings im unteren Bereich.

Aus den Ermittlungsakten wurde deutlich, dass die Angeklagte zu keiner Zeit dieses Rauschmittel als solches eingesetzt hat: Sie benutzte es als Schmerzmittel, als nichts anderes mehr half und eine Verschreibung mittels Rezept durch den Hausarzt noch nicht möglich war. "Nur so kam ich einigermaßen schmerzfrei durch den Tag und konnte meine Familie versorgen", sagt die Angeklagte.

Davon unbeeindruckt zeigte Staats-anwältin Rackl die Summe der Gesetzesverstöße auf und wandte sich dem sich daraus ergebenden Straf-maß zu. Alles an Mitgefühl im Gerichtssaal lag auf Seiten der gesundheitlich schwer gezeichneten Angeklagten – die rechtliche Situation aber war eine andere.

So forderte die Staatsanwältin denn auch eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, sowie eine Geldauflage von 1500 Euro – zu zahlen an eine gemeinnützige Institution.

Zu dem hohen Strafmaß führte unter anderem die "nicht unerhebliche Menge" der verbotenen Substanz, die mit Einverständnis der Angeklagten vom Gericht eingezogen wurde.

Rechtsanwältin Nicole Obert hingegen bezweifelte die Wertung der Menge als "nicht unerheblich" und führte ein bereits rechtskräftiges Urteil des Bundesgerichtshofes dafür an.

Des Weiteren zeigte die Strafverteidigerin die bereits 16 Jahre währenden gesundheitlichen Probleme der Angeklagten auf. Sie habe zwei schwere Unfälle zu verkraften gehabt "und dann kam eine Krankheit nach der anderen hinzu". Trotzdem kümmerte sie sich weiterhin um ihre große Familie.

"Um den Alltag zu bewältigen"

Auf Rezept gab es den schmerzlindernden Wirkstoff THC zur Tatzeit noch nicht. "Was blieb der Frau denn anderes übrig, als es selbst anzubauen, um einigermaßen den Alltag zu bewältigen?", fragte die Rechtsanwältin und plädierte auf zehn Monate Haft zur Bewährung und auf eine Geldstrafe von 1000 Euro.

Nach einer kurzen Unterbrechung der Hauptverhandlung verkündete Amtsrichter Rainer Würth das mit den beiden Schöffen gefällte Urteil: Ein Jahr Haft auf drei Jahre Bewährung, eine Geldauflage von 1000 Euro (zahlbar in Raten) und die Übernahme der Gerichtskosten.

Strafmildernd wirkte sich das voll-umfängliche Geständnis der Ange-klagten aus. Sie habe das Mittel aus-schließlich zur Schmerzbekämpfung genutzt und keinen Handel damit betrieben.

Dass auch Richter Rainer Würth und seine Schöffen zur Überzeugung kamen, dass es sich tatsächtlich um "einen nicht minder schweren Fall" handelte, lag an "der ganz ordentlichen Vorratshaltung".

Durch beidseitigen Rechtsmittelverzicht der Staatsanwaltschaft und und des Rechtsbeistandes der Angeklagten wurde das Urteil sofort rechtskräftig.

Einen Wiederholungsfall mit der Angeklagten wird es schon wegen der gesetzlichen Regelung nicht mehr geben: Der schmerzlindernde Wirkstoffes kann inzwischen per Rezept vom Arzt verschrieben werden.

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