Personalmangel

Wenn Kneipen zwangsweise zusperren müssen

6.10.2021, 15:42 Uhr
Das Mittagsgeschäft wird für gastronomische Betriebe wegen Personalmangels schwer darstellbar.

© Miriam Zöllich Das Mittagsgeschäft wird für gastronomische Betriebe wegen Personalmangels schwer darstellbar.

Das Ausmaß des Fachkräftemangels in der Gastronomie ist für Arwed Arndt für alle leicht ablesbar: Es gibt nicht wenige der rund 120 Mitgliedsbetriebe des Hotel- und Gaststättenverbandes im Landkreis Neumarkt, die mittags "zusperren müssen, ob sie wollen oder nicht", oder die jede Woche einen zweiten Ruhetag einlegen müssen - weil ihnen schlicht das Personal für längere Öffnungszeiten fehlt, wie der Kreisvorsitzende Arndt berichtet.

Es gibt noch andere Auswirkungen: abgesperrte und ungenutzte Tischreihen im Biergarten oder drastisch verkleinerte Speisekarten beispielsweise. "Das ist eine ganze Menge Stunden, die nicht geleistet werden", sagt Arwed Arndt.

Negativspirale rotiert

Diese Maßnahmen der Gaststätten und Restaurants setzten eine "Negativspirale" in Gang: Wegbrechende Umsätze verringern nach Ansicht des Kreisvorsitzenden des Gastro-Verbandes die Erlöse der Betriebe - und rauben den wirtschaftlichen Spielraum für die Gewinnung neuer Arbeitskräfte.

Hotelier Arwed Arndt sieht ein Grundübel der Branche: Das Ansehen der Dienstleistungsberufe in der Gastronomie, sei so "abgesackt", dass viele Menschen nicht mehr abends und an Wochenenden in Küchen arbeiten und Gäste bedienen wollten. Es sei immer weniger gelungen, die Leistungen der Kneipen und Gasthäuser "als Erlebnis zu verkaufen" und so auch den Stolz der Mitarbeiter auf ihre Tätigkeit zu steigern. Arndt: "Wir müssen hier richtig Aufbauarbeit leisten."

"Das falsche Mittel"

Warum sollte der Wirt oder Hotelier nicht einfach seine Beschäftigten spürbar besser bezahlen, um die Gastro-Jobs attraktiver zu machen? Auch wenn dies zu höheren Preisen für die Leistungen führt. Für den Wirte-Vormann Arndt ist das ein "wichtiger Teil" der Gegenmaßnahmen, aber nicht der wichtigste. "Plumpe Preiserhöhungen sind das falsche Mittel."

Arwed Arndt sieht die Gastronomiebranche insgesamt gefordert, der Bevölkerung die Wertigkeit der Dienstleistung, das "Gesamterlebnis" im Restaurant oder im Beherbergungsbetrieb nahe zu bringen. Eine Imagefrage sei es auch, die Gewinnung von Nachwuchs durch Werbung in den Schulen zu steigern.

Einen Ausweg sieht der Hotelier auch darin, Zuwanderer als Beschäftigte in der Gastronomie zu gewinnen. Das schlagende Argument: Die Migranten hätten wie in kaum einem anderen Wirtschaftssegment bemerkenswerte Aufstiegschancen und "weltweit einen sicheren Job".

Abnehmende Azubi-Zahlen

Auch im Handel schlägt der Mangel an Arbeitskräften wegen der geringeren Zahl von Schulabgängern stark durch. Sibylle Aumer von der Indstrie- und Handelskammer in Regensburg weist dabei auf den Trend hin, dass junge Menschen eine akademische Ausbildung vorziehen. Beim Zwei-Jahresvergleich 2019/2021 stellt sich heraus, dass die Handelsbetriebe einen Azubi-Rückgang von 19 Prozent zu verzeichnen hatten. "Alle jammern, das spricht eine deutliche Sprache", sagt Sibylle Aumer von der IHK.

Dabei kämpfe der Handel an zwei Fronten: Wegen der strukturellen Veränderungen im Spannungsverhältnis stationärer und Online-Handel und wegen der Folgen der Corona-Pandemie seien die Geschäfte auf ausreichend qualifiziertes Personal angewiesen.

Neuer Ausbildungsberuf

Seit 2018 gibt es den Ausbildungsberuf Kaufleute in E-Commerce, in dem die jungen Mitarbeiter besondere Kenntnisse für erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle erwerben. Bisher haben sich im IHK-Bereich nur etwa 100 Berufsanfänger für diesen Beruf entschieden. "Das ist bei den jungen Leuten und bei den kleineren Firmen noch nicht so bekannt", bedauert Sibylle Aumer. "Das wäre genau der Ausbildungsberuf, um die Branche auf die strukturellen Veränderungen vorzubereiten."

Die Unternehmen müssten sich darauf konzentrieren, bereits beschäftigte Mitarbeiter durch mehr Wertschätzung, durch Weiterbildungsangebote oder durch ein betriebliches Gesundheitsmanagement an den Betrieb zu binden. Auch neue Wege des "Recruiting" (Personalbeschaffung) seien dringend gefordert. Sibylle Aumer von der IHK: "Junge Leute wollen beispielsweise über soziale Medien völlig anders angesprochen werden."

"Aus dem Arbeitsmarkt ausgeklinkt"

In den Branchen mit Personalnöten ist der Strukturwandel teils einschneidend: Mit seinem Seminarhotel-Startup in Parsberg versucht Arwed Arndt, sich von eigenem Personal unabhängig zu machen und arbeitet mit externen Fachkräften von Catering-Unternehmen zusammen. Der Hotelier: "Ich habe mich aus dem Arbeitsmarkt ausgeklinkt."

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