Nachhaltigkeitskonferenz

"Wir brauchen einen Aufstand der Rollatoren"

20.11.2021, 06:40 Uhr
Moritz Piepel bot bei der Nachhaltigkeitskonferenz einen "Plan" für mehr Generationengerechtigkeit an. Foto Stefan Hippel

© NN Moritz Piepel bot bei der Nachhaltigkeitskonferenz einen "Plan" für mehr Generationengerechtigkeit an. Foto Stefan Hippel

Eloquent, geistreich, charismatisch, soweit man das über einen 22-jährigen Physik-Studenten sagen kann: Moritz Piepel lieferte bei der 9. Neumarkter Nachhaltigkeitskonferenz nicht virtuell, sondern leibhaftig in der Residenz das Pilotreferat mit dem frechen Titel "Ihr habt keinen Plan - Darum machen wir einen". Wir, das ist der Jugendrat der Generationen-Stiftung in Berlin. Die rund 30 Aktivisten verstehen sich als Lobbyisten für eine nachhaltige Generationengerechtigkeit. "Es darf keinen Unterschied machen, wer wann und wo geboren ist", sagt Piepel. Er und seine Mitstreiter treten in TV-Talkshows auf, gehen gegen SUVs in Innenstädten auf die Straße, demonstrieren - vergeblich - für eine ökologische Ausrichtung der Corona-Hilfen. "Hier wurde eine historische Chance verpasst."

"Stille Mehrheit"

Wegen des drohenden Kollapses des Öko-Systems müsse nun die "Notbremse" gezogen werden. Neues Denken und Handeln werde nur möglich, wenn die "stille Mehrheit" die Stimme erhebe. Moritz Piepels Appell: "Werden Sie Teil der neuen Generation ohne Altersgrenzen."

Der junge Lobbyist konfrontierte die rund 50 Konferenzteilnehmer mit fünf zentralen Thesen. Beim Thema zukunftsfähige Politik erlebe man tatsächlich "keine Generationenkonflikte", eher globale und ideologische Verteilungskonflikte. Unterstützung komme gerade von einer selbstkritischen Großeltern-Generation.

Zerstörerischer Mensch

Moritz Piepel gibt zu bedenken, dass "eine Großteil der menschlichen Entwicklung noch vor uns liegt". Während die "Zukunft kolonisiert" werde und der Mensch selbst die zerstörerischste Kraft sei, hätten zukünftige Generationen ein Recht auf ein gutes Leben.

Der Wandel sei zeitlich nicht so weit entfernt und könne sich wahlweise im "Design" oder als "Desaster" vollziehen. Der Wandel müsse von allen Altersgruppen vollzogen werden. "Wir brauchen den Aufstand der Rollatoren", sagte Piepel.

System muss sich ändern

Konsumkritik und individuelle Verhaltensänderungen reichten nicht aus, um eine nachhaltige Generationengerechtigkeit zu schaffen. Piepels Beispiel: Rund 100 Unternehmen seien für 70 Prozent der Emissionen verantwortlich. "Wir brauchen eine systemische Veränderung", sagte der Jung-Intellektuelle. Und der geforderte neue Politikstik müsse mehr von einem Miteinander als von einem Gegeneinander geprägt sein.

Corona hatte die Teilnehmerzahl bei der Nachhaltigkeitskonferenz 2021 in Neumarkt von 100 auf 50 schrumpfen lassen. Foto Stefan Hippel

Corona hatte die Teilnehmerzahl bei der Nachhaltigkeitskonferenz 2021 in Neumarkt von 100 auf 50 schrumpfen lassen. Foto Stefan Hippel © NN

"Global denken und lokal verankern" lautete der Untertitel der Nachhaltigkeitskonferenz, die mit Expertenreferaten den Bedingungen für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) nachspürte. Der städtische Nachhaltigkeitsreferent Sebastian Schauer zeigte noch einmal die programmatischen Ideen der Kommune zu solchen Bildungsanstrengungen von Kinderbetreuungseinrichtungen, über Schulen bis hin zur Erwachsenenbildung auf, eine Bildung, die "Menschen zu zukunftsfähigem Verhalten befähigt". Die Stadt Neumarkt leiste projektbezogen ihren umfassenden Beitrag dazu. Gleichzeitig müsse es aber auch das Ziel sein, die "Strukturen zu verändern".

"Wir sind Vorbilder"

Einen Einblick in solche lokalen Strukturen und in das entstehende Bildungs-Netzwerk gab Ralf Mützel, Leiter des Amtes für Nachhaltigkeitsförderung, mit Kurzinterviews und Statements von Akteuren aus Neumarkt.

"Es entsteht eine Haltung, es ist spannend, Kinder mitzunehmen, für die sind wir Vorbilder", berichtete Anita Dengel. Sie ist Leiterin des Bündnisses für Familie und vertrat die erste Eine-Welt-Kindertagesstätte "Storchennest".

Die Mikroprojekte an der Neumarkter Mittelschule West, wie die Pflanzung von Obstbäumen, entwickeln sich nach Ansicht von Jugendsozialarbeiter Stefan Iglhaut inzwischen zur Struktur: "Wir denken da an die nächsten zehn, vielleicht 100 Jahre."

Multiplikatoren im Blick

"Unsere Angebote werden sehr stark angenommen", berichtete Marica Münch vom "Fairkulturcafe" Immergrün in Neumarkt. In zwei Kultursommern hätten sich zahlreiche Einzelveranstaltungen des Themas Nachhaltigkeit angenommen.

Der Neumarkter Eine-Welt-Laden und die Akademie für Nachhaltigkeit sprechen nach Darstellung von Birgitt Rupp unter anderem Multiplikatoren an. Nachhaltigkeit müsse aber auch für ein breites Publikum erlebbar werden. Es gebe eine großen Bedarf an hochwertigen Bildungsangeboten. Birgitt Rupp: "Jeder ist gefragt."

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