"Zukunft Handwerk Neumarkt": Durchblick mit der Datenbrille

18.5.2019, 17:24 Uhr
Mit der Daten-Brille durch das virtuelle Haus: Paul erlebt schon heute, was bald für viele  Bauherren zur Planungsphase der eigenen vier Wände gehören wird.

© Günter Distler Mit der Daten-Brille durch das virtuelle Haus: Paul erlebt schon heute, was bald für viele Bauherren zur Planungsphase der eigenen vier Wände gehören wird.

Ein wenig seltsam sieht es schon aus, wie Paul durch den leeren Pavillon der Elektro-Innung stapft, plötzlich stehen bleibt und mit der rechten Hand in die Luft tippt.

Doch der drei Meter entfernte Bildschirm zeigt, was der Zehnjährige in der der dicken Datenbrille sieht, die er auf seinen Kopf geschnallt hat. Paul geht durch ein Wohnhaus, schaltet das Licht an, öffnet den Kühlschrank und wischt über ein Tablet.

"Noch ist es mehr ein Marketing-Gag", sagt Klaus Wittmann von Dehn Instatec. Doch nicht mehr lange, dann werden die Häuslebauer so durch ihr künftiges Eigenheim gehen. Lange bevor der Maurer den ersten Stein gesetzt hat. Die Pläne werden sowieso schon dreidimensional am Rechner entworfen, da ist es nur ein kleiner Schritt zum virtuellen Hausrundgang.

Zumal der Kunde dann auch feststellen kann, ob die Displays für sein Smarthome sich auch dort befinden, wo er sie später braucht. Und ob er tatsächlich eine WhatsApp von seinem Kühlschrank bekommen möchte, dass der Sohn das letzte kalte Bier gemopst hat.

Vernetzung hat längst Einzug gehalten in der Sanitär- und Heizungstechnik. Moderne Gas-Brennwertgeräte erzeugen auch Strom - der Anschluss ans Netz ist also Pflicht. Ebenso wie die WLAN-Schnittstelle, um das staatlich geförderte Gerät per App zu bedienen.

Selbst beim analogen Heizen mit dem Kachelofen ist der PC nicht mehr wegzudenken. "Die Planung läuft im CAD-Programm", sagt Ofenbauer Jens Geißler. Aber auf der Baustelle ist traditionelle Handwerkskunst gefragt. Der Ofen wird Stein für Stein mit der Hand aufgemauert. "Das kann keine Maschine."

Auch die Raumausstatter nutzen den selbstverständlich den Computer bei ihrer täglichen Arbeit. "In virtuellen Zimmern kann der Kunde sehen, wie eine Dekoration wirkt", sagt Georg Forster, Inhaber von Gardinen Forster. Oder der Kunde sucht eine Couch aus, an deren Grundform dann virtuell verschieden Lehnen und Polsterungen angebracht werden.

Doch das herkömmliche Musterbuch gibt es weiterhin. "Das haptische Erlebnis beim Anfassen der Stoffe kann kein Computer ersetzen", sagt Werner Pohl von der Polsterei Pohl.

Ähnlich ist es im Friseur-Handwerk. Es gibt zwar Apps, die das Gesicht des Kunden mit frechen Farben und Fantasie-Frisuren versehen. "Das reicht vielleicht für einen ersten Eindruck", sagt Obermeisterin Elisabeth Würz. Aber erst die Fachfrau mit der Schere erkennt die Haarqualität, wie es nach dem Schnitt fällt und wie es Farben annimmt.

Doch auch im Salon hält die Digitalisierung Einzug: Die neuen Geräte werden immer technischer, Trockenhauben haben etwa programmierbare Klimazonen. Und Terminvereinbarung per PC und eine Social Media-Präsenz sind selbstverständlich.

"Die Digitalisierung gehört heute einfach zu jedem Handwerk", glaubt Josef Zachmeier junior. Seine Zimmerer gehen selbstverständlich mit einem gedruckten Plan auf die Baustelle. Doch kurzfristige Änderungen - eine breitere Tür, ein versetztes Fenster - werden digital zur Baustelle übermittelt. "Wir könne ganz kurzfristig auf Kundenwünsche reagieren."

So ganz ist Simon nach seinem virtuellen Rundgang nicht überzeugt von der modernen Hausbesichtigung. "Man kann sich daran gewöhne", sagt der Schüler. "Aber es ist halt nicht wie echt."

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