Keine schlüssige Erklärung für Zahlenwirrwarr

Inzidenz für den Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim ist verdächtig niedrig

Anna Franck

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17.2.2022, 06:00 Uhr
Was läuft falsch? Die Inzidenz im Landkreis Neustadt-Bad Windsheim liegt verdächtig niedrig.

© Bastian Lauer, NN Was läuft falsch? Die Inzidenz im Landkreis Neustadt-Bad Windsheim liegt verdächtig niedrig.

Das Landratsamt in Neustadt respektive das Gesundheitsamt meldet täglich die Fallzahlen für den Landkreis an das LGL. Von dort aus gehen diese an das RKI, das auf dieser Basis wiederum die offiziell gültige Inzidenz für den Kreis errechnet. Nimmt man selbst den Taschenrechner zur Hand, scheint da der Wurm drin zu sein.


Die Inzidenz lässt sich für den hiesigen Landkreis überschlagsmäßig relativ einfach berechnen. Die offizielle Einwohnerzahl beträgt 101.272, addiert man die gemeldeten Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage, sollte diese Summe auch nahezu die Inzidenz (Infektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner) widerspiegeln. Tut sie aber nicht. Ein Beispiel zum Stand des gestrigen Mittwochs: 230 Corona-Neuinfektionen kamen da hinzu, demnach müsste der Wert bei etwa 1087 liegen. Das RKI gab 529,3 an, der LGL-Wert war mit 545,07 minimal höher. Ähnlich sah es am vergangenen Sonntag aus: 1072 wäre der errechnete Inzidenz-Wert, 528,3 gab das RKI an. Übrigens: Am, Mittwoch wies der Landkreis deutschlandweit laut RKI die viertniedrigste Inzidenz auf. Wie eine „Oase“ umgeben von weit höheren Werten, teils über der 1000er- und 2000er-Marke. Wie lässt sich das erklären?


„Wir können generell keine konkreten Abweichungen erläutern“, heißt es auf WZ-Nachfrage von Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des RKI, in schriftlicher Form. Stattdessen: Gesundheitsamt oder das LGL „sollten hier weiterhelfen können“, informiert die Pressesprecherin.
„Die Diskrepanzen sind höchstwahrscheinlich auf einen starken Meldeverzug sowie auf unterschiedliche Meldestände zurückzuführen“, erklärt derweil Martina Junk, stellvertretende Pressesprecherin am LGL, schriftlich auf WZ-Nachfrage. Grundsätzlich sei eine „direkte Gegenüberstellung von Daten aus verschiedenen Quellen mit verschiedenen Datenständen nicht zu empfehlen“.

Ähnliches Wirrwarr

Ähnliche Auskünfte hatte die WZ bereits im Dezember vergangenen Jahres erhalten, als ebenfalls ein Zahlenwirrwarr zu verzeichnen war. Meldeverzug müsse stets einkalkuliert werden, hieß es damals.


„Erklärungsansätze“ versucht auch Bastian Kallert, Pressesprecher am Landratsamt, einzubringen. „Die Fallzahl, die wir nennen, besteht nicht nur aus Fällen die heute dazukommen“, sagt er. Es könne sein, dass Fälle, die vor zwei oder drei Tagen im System aufgeschlagen sind, „erst heute rausgezogen und bearbeitet werden“ und dann später in die Fallmeldung einfließen würden. Das LGL ordne die Fallzahlen rückwirkend zu. Sobald die Zahlen beim LGL sind, liege es nicht mehr in der Hand des Landratsamtes.


Und nun? Was wird getan, um die Lage aufzuklären? Ob „etwas Besonderes“ dahinterstecke, habe Kallert bereits beim Gesundheitsamt angefragt – am Mittwoch kam dazu keine Auskunft mehr. Laut Martina Junk wolle das LGL Kontakt mit dem Neustädter Gesundheitsamt aufnehmen, um zu klären, ob beispielsweise „ein technisches Problem bei der Fallmeldung“ vorliege.


Interessant ist, wie manche Portale mit den Inzidenzen umgehen. Der Norddeutsche Rundfunk beispielsweise bietet auf seiner Internetseite eine Deutschlandkarte an, auf der für alle Landkreise der offizielle Wert des RKI sowie eine „Schätzung ohne Meldeverzug“ aufgeführt sind. Der NDR ging am Mittwoch für den hiesigen Kreis von einer echten Inzidenz von 989,4 aus.


Und der Blick auf die Konkurrenten um die Spitzenplätze offenbart ähnliche Effekte: Offiziell lagen die Kreise Südliche Weinstraße (470,3) und Landau in der Pfalz (509,8) – jeweils Rheinland-Pfalz – Mittwoch knapp vor uns, laut NDR lagen dort die geschätzten Inzidenzen jenseits der 1000. Bei „Spitzenreiter“ Greiz in Thüringen (RKI: 461,4; NDR: 562,8) war die Differenz nicht ganz so groß