NSU-Prozess: Verteidiger fordern Freispruch von André E.

8.5.2018, 15:59 Uhr
NSU-Prozess: Verteidiger fordern Freispruch von André E.

© Tobias Hase/dpa

Im NSU-Prozess haben die Verteidiger des Mitangeklagten André E. einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Die Anwälte Herbert Hedrich und Michael Kaiser wiesen in ihrem Plädoyer vor dem Münchner Oberlandesgericht am Dienstag sämtliche Anklagevorwürfe zurück, allen voran den Vorwurf der Beihilfe zum versuchten Mord. Die von der Bundesanwaltschaft unterstellte enge Beziehung zu den drei mutmaßlichen NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe es nicht gegeben. Und es gebe keinen Hinweis, dass E. an der Beschaffung von Waffen oder Sprengstoff beteiligt gewesen sei oder von geplanten Morden und Anschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" gewusst habe.

Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer zwölf Jahre Haft für E. gefordert, unter anderem wegen Beihilfe zum Bombenanschlag auf ein Lebensmittelgeschäft in Köln. E. hat nach Überzeugung der Ankläger damals das Wohnmobil gemietet, mit dem die Täter nach Köln fuhren. Zudem habe er bei der Tarnung des NSU-Trios im Untergrund geholfen. Kurz nach dem Plädoyer erließ das Gericht Mitte September Haftbefehl gegen E., der nun ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt - wie zuvor schon Zschäpe und der mutmaßliche Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben.

"Unser Mandant ist Nationalsozialist"

Hedrich und Kaiser wiesen die Argumentation der Ankläger zurück. Es könne nicht einmal zweifelsfrei festgestellt werden, ob tatsächlich André E. das Wohnmobil gemietet habe - oder sein Zwillingsbruder oder jemand anderes. Es gebe keinen Fingerabdruck, keine DNA-Spur, und eine Unterschrift, die E. nicht zurechenbar sei. Auch den Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung wiesen die Anwälte zurück - weil E. von einer solchen Vereinigung keine Kenntnis gehabt habe. Die Kontakte der Familie E. seien "auf die Person Zschäpe" beschränkt gewesen - das aber sei ein "familiärer Kontakt" gewesen.

Hedrich bezeichnete E. als bekennenden Rechtsextremisten: "Unser Mandant ist Nationalsozialist, der mit Haut und mit Haaren zu seiner politischen Überzeugung steht." Er verteidige nicht dessen Gesinnung und versuche auch nicht, die Taten des NSU zu rechtfertigen, so Hedrich. Seine Aufgabe sei es allerdings, E. "gegen die gegen ihn gemachten Vorwürfe zu verteidigen". Für die meisten Prozessbeteiligten scheine dagegen schon die politische Gesinnung "als Tatausweis ausreichend zu sein".

Prozess gerät immer wieder ins Stocken

Der Anwalt Daniel Sprafke, der E. zwischenzeitlich zusätzlich vertreten hatte und der das Verfahren mit diversen Anträgen wieder ins Stocken gebracht hatte, legte derweil sein Mandat nieder. Das teilte Sprafke selbst am Dienstag auf seiner Internetseite mit.

Im NSU-Prozess stehen nach André E. noch die Schlussvorträge der Verteidiger von zwei weiteren Angeklagten und der drei ursprünglichen Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe aus. Für Zschäpe hatte die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Die heute 43-Jährige soll eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern des NSU gewesen sein und deshalb nach Ansicht der Bundesanwaltschaft als Mittäterin bei sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde, neun davon aus rassistischen Motiven. Ihre beiden Wunschverteidiger forderten dagegen maximal zehn Jahre Haft.