10. April 1967: Mutti in der Kaserne

10.4.2017, 07:30 Uhr
10. April 1967: Mutti in der Kaserne

© Gerardi

"Donnerwetter, so schön hätten wir uns das gar nicht vorgestellt", lautete der einstimmige Kommentar nach dem ausgedehnten Rundgang. Die Damen müßten keine Hausfrauen sein, wenn es ihnen die Küche nicht besonders angetan hätte. Aber so sehr sie sich auch mühten, irgendeinen Anhaltspunkt zur Kritik zu finden, sie sahen nur blitzblanke Herde und Töpfe. Die Feldköche versicherten, daß nicht wegen des pp. Besuchs alles auf Hochglanz poliert worden ist, sondern Sauberkeit das oberste Gebot in jeder Kaserne ist.

10. April 1967: Mutti in der Kaserne

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Davon konnten sich die Gäste auch in den Mannschaftsstuben überzeugen. Mit einer Genauigkeit ohnegleichen waren die Spinde eingeräumt. Eine Frau bemerkte dazu: "Man merkt später halt, wer beim Militär gewesen ist. Und das kommt uns Frauen zugute!" Nur eine Gegenstimme wurde laut: "Naa, a su an Moh möcht‘ i goar nett hob‘m". Das "beste" Stück der Familie bekundete damit recht entschieden, daß sie ganz froh darüber ist, wenn sie ihren Mann versorgen und, wenn es sein muß, hinter ihm auch ab und zu nacharbeiten kann. Ihre Kolleginnen vernahmen derweil mit Genugtuung, daß die Soldaten auch flicken und stopfen lernen. Allerdings kam aus dem Hintergrund die etwas bange Frage: "Ja, brauchen die Männer dann überhaupt noch eine Frau, wenn sie alles können?"

Auf das Gemüt einer anderen Besucherin schlug auch ein Schild mit der Aufschrift: "Wir gratulieren zum Geburtstag!" Ach ist das schön, daß die hier an so etwas denken“, meinte sie. Eine hörte zufrieden, daß die Bundeswehr der Bundesrepublik gehört. "Auch die Amerikaner haben uns da nichts reinzureden", erklärte Oberleutnant Klaus Thamm, der auch andere Fragen bereitwillig beantwortete.

Bei Kaffee und Kuchen erholten sich die Hausfrauen von dem strapaziösen Rundgang. Der stellvertretende Bataillons-Kommandeur, Major Karl Leichsenring, machte sie dabei mit einem eigenartigen sozialen Problem der Bundeswehr vertraut. Eben hatte sie noch mit eigenen Augen gesehen, wie großzügig der Tisch für die Soldaten gedeckt wird – „Die essen ja sogar "Gigerla" – da mußten sie erfahren, daß die Bürger in Uniform das gute Essen offensichtlich nicht zu schätzen wissen. Major Leichsenring zeigte ihnen, was tagtäglich in den Mülleimer wandert: Wurst, Käse, Butter.

"Helfen Sie mit, daß die jungen Leute den Wert eines Stück trockenen Brotes kennenlernen", forderte der Offizier seine Gäste auf. Zustimmendes Gemurmel dürfte ihm bewiesen haben, daß dafür manchem Sohn oder Enkel die Ohren langgezogen werden, wenn er erst ins zivile Leben zurückgekehrt ist.

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