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10. Juni 1971: Terroristen drohen mit Entführung

10.6.2021, 07:00 Uhr
10. Juni 1971: Terroristen drohen mit Entführung

© Barth

Diese Sicherungsmaßnahmen wurden vom Bundesinnenministerium für Nürnberg, für die türkische Botschaft in Bad Godesberg und die übrigen Konsulate in der Bundesrepublik angeordnet. Der Grund: eine etwa 200köpfige Gruppe hat in verschiedenen Telefonanrufen gedroht, Konsuln oder deren Mitarbeiter zu entführen, um ihre Ziele – Freilassung der politischen Häftlinge in der Türkei – notfalls mit Gewalt zu erreichen.

Im Nürnberger Polizeipräsidium bewahrt man strengstes Stillschweigen. Eine Auskunft zu dieser Aktion, die als „top secret“ erklärt wurde, erhielten wir nicht. Die sogenannte „Befreiungsaktion“ begann an Pfingsten, als in verschiedenen deutschen Großstädten griechische Gastarbeiter für die gleichen Ziele demonstrierten.

An diesen Protestmärschen, veranstaltet von der EDA, der Nachfolgeorganisation der verbotenen Kommunistischen Partei Griechenlands, hatten sich auch Abordnungen türkischer Kommunisten beteiligt.

Die einzelnen Landeskriminalämter sowie das Wiesbadener Bundeskriminalamt haben ermittelt, daß die Kerntruppe der türkischen Terroristenorganisation ca. 200 Mann stark ist. Generalkonsul Azisz Yakin in Nürnberg glaubt außerdem, Beweise dafür zu haben, daß diese Organisation von der Ostberliner Botschaft Chinas gelenkt und auch finanziert wird.

Die Zahl der Sympathisanten dieser Gruppe unter den Gastarbeitern in der Bundesrepublik ist nicht bekannt. Sie dürfte aber um ein Vielfaches größer sein, als die eigentliche „Kampftruppe“.

Drohanrufe haben bisher die türkischen Konsulate in Frankfurt, Hamburg und Nürnberg erhalten. In ihnen forderten die Terroristen die Konsuln auf, sich für die Freilassung der politischen Gefangenen in der Türkei einzusetzen. Sollten diese Bemühungen nicht fruchten, werde man zu drastischeren Maßnahmen greifen und auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. Die Anrufer kündigten die Entführung von Konsuln oder deren Angestellten an, mit deren Leben man die Freilassung der politischen Häftlinge erzwingen werde.

Seither werden das Konsulatswohnhaus und das Büro rund um die Uhr von einer eigens zu diesem Zweck zusammengestellten Polizeitruppe bewacht. Aus zivilen Streifenfahrzeugen beobachten Kriminalbeamte die Eingänge und kontrollieren auch verdächtig erscheinende Personen. In regelmäßigen Abständen patrouillieren außerdem Fahrzeuge der Funkstreife und der zuständigen Reviere in der Umgebung der Gebäude am Königstorgraben und am Danziger Platz. Man will jede Möglichkeit für einen Anschlag auf das Konsulat und seine Angestellten ausschließen.

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