100 Jahre Gesundheitsamt Nürnberg: Zwischen Fürsorge und Kontrolle

15.7.2020, 06:00 Uhr
Die Corona-Krise hat das Gesundheitsamt sehr gefordert. Die Einrichtung musste mit Mitarbeitern aus anderen Dienststellen oder externen Helfern wie Lehrern aufgestockt werden.

© picture alliance/dpa Die Corona-Krise hat das Gesundheitsamt sehr gefordert. Die Einrichtung musste mit Mitarbeitern aus anderen Dienststellen oder externen Helfern wie Lehrern aufgestockt werden.

Um die Corona-Pandemie zu bewältigen, hat das Nürnberger Gesundheitsamt in den vergangenen Monaten alle Kräfte gebündelt und musste die eigentlichen Aufgaben kurzzeitig streichen. Die Einrichtung wurde mit Mitarbeitern aus anderen Dienststellen oder externen Helfern wie Lehrern aufgestockt.

Infektionsketten unterbrechen, mit Infizierten in Verbindung bleiben und deren Kontaktpersonen ermitteln, Quarantänemaßnahmen aussprechen – das waren und sind die wichtigsten Aufgaben in der Pandemie. Da geht fast unter, dass es das Haus seit genau 100 Jahren gibt. Es ist das ältestes kommunale Amt dieser Art im Freistaat und setzt immer wieder Impulse im Bereich Gesundheit.

Die Behörde definiert sich als "städtisches Haus für die Gesundheit" für die Nürnbergerinnen und Nürnberger. "Die Mischung ist total interessant", sagt Katja Günther, die das Amt seit November 2019 leitet. In der Tat ist man hier quasi für alle Generationen und für alle Schichten zuständig – ob es nun um Beratung, Begutachtung, Förderangebote, Kontrolle oder um den Infektionsschutz geht.


So arbeitet das Nürnberger Gesundheitsamt in der Coronakrise


So haben etwa der Kinder- und Jugendärztliche Dienst, die aufsuchende Gesundheitshilfe oder die Kinder- und Jugendberatung die Bedürfnisse von Babys und Kindern im Blick. Schwangere Frauen, die einen Abbruch erwägen oder ihr Kind zur Pflege oder Adoption freigeben wollen, werden beraten. Die Heimaufsicht kontrolliert Einrichtungen für Senioren und Menschen mit Behinderung. Der Sozialpsychiatrische Dienst steht Menschen mit seelischen Problemen und psychischen Störungen sowie deren Angehörigen, Freunden und Kollegen zur Seite. Prostituierte müssen seit Mitte 2017 zur Pflicht-Beratung im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes kommen.

Zudem ist die Einrichtung zuständig für die Trink- und Badewasserüberwachung oder für das Thema Krankenhaushygiene. Das Amt führt Heilpraktikerprüfungen durch und begutachtet Beamte auf Dienstfähigkeit.
Es sind viele Bereiche, für die das Amt mit Hauptsitz in der Burgstraße und weiteren Außenstellen zuständig ist – und die Aufgaben und Anforderungen wachsen. Das wirkt sich auf die tägliche Arbeit aus, wie Katja Günther berichtet. "Wir sind in Raumnot und brauchen dringend einen zweiten Standort. Die Suche läuft", sagt die Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen.

Mehr als die Pflicht

Überwachung und Kontrolle ist der eine Bereich, doch man will auch gestalten und mehr als die reinen Pflichtaufgaben erledigen. So hilft die 2017 gegründete "Fachstelle Trauma" Flüchtlingen mit psychischen Erkrankungen, um Defizite in der medizinisch-therapeutischen Behandlung ausgleichen zu können: Die Einrichtung wird nach eigenen Angaben überrannt.

1975 wurde – einmalig in Bayern – eine Beratungsstelle für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen gegründet. "Zebbek" heißt diese auch von nichtstädtischen Fachstellen geschätzte Einrichtung heute, die ihre Arbeit allerdings seit Ende 2018 aus Personalnot stark einschränken musste.


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Personalmangel: Dieses Thema zieht sich seit langem wie ein roter Faden durch die Bereiche der Behörde. Die Schuleingangsuntersuchungen konnten in der Vergangenheit nicht mehr fristgerecht angeboten werden. Die Heimaufsicht schafft schon seit Jahren den jährlichen Pflicht-Kontrollgang durch alle Heime im Stadtgebiet nicht. Arztstellen mussten mangels Bewerbern mehrfach ausgeschrieben werden. "Es ist sehr schwierig", sagt denn auch Katja Günther. Woanders verdienen Ärzte eben besser – seit kurzem zahlt die Stadt deshalb Zulagen, um Fachpersonal locken zu können.

Gerüstet für eine zweite Welle

Auch wenn sich beim Thema Corona derzeit die Situation in Nürnberg wieder beruhigt hat, so bleibt Katja Günther wachsam. Die 60-Jährige will für eine eventuelle zweite Welle gerüstet sein. Mit der Technischen Hochschule Nürnberg hat die Stadt ein sogenanntes "Kontaktmanagement" entwickelt, um ein digitales Informationssystem aufbauen zu können.


"Wir halten das durch": Das Gesundheitsamt äußert sich zur Coronakrise


Katja Günther: "Wir haben anfangs mit Excel-Tabellen gearbeitet. Als es immer mehr Corona-Fälle gab, haben wir gemerkt: Wenn wir den Überblick behalten wollen, geht es so nicht weiter." Und so wurde eine zentralisierte Datenbank eingerichtet. Betroffene können mit dem digitalen Angebot der Stadt selbstständig den Kontakt zum Gesundheitsamt halten. Und was ist mit dem Jubiläum, das die Stadt feiern wollte? Die Festschrift soll um das Kapitel "Corona" erweitert werden – und der große Festakt wird einfach um ein Jahr verschoben.

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