Trockenperiode beschwört eine Katastrophe herauf

12. August 1971: Gefahr ist groß: werden die Flüsse zu Kloaken?

12.8.2021, 07:00 Uhr
12. August 1971: Gefahr ist groß: werden die Flüsse zu Kloaken?

© Volker Ranke

Bis nach Forchheim hinunter – so Dr. Heinz-Jürgen Boie, Leiter der Gewässergüteaufsicht der Regierung von Mittelfranken – wird dann der gesamte Fischbestand ausgerottet sein. Und Boie prophezeit: „Die Flüsse werden stinken wie Kloaken.“ Schon für Mitte Juli hatte die Gewässergüteaufsicht für den Nürnberger Raum „mit Kalamitäten gerechnet“. Aber die intensive Sonneneinstrahlung kam in der Trockenzeit zu Hilfe: sie förderte den Abbau der Abwässer in den Flüssen. Doch jetzt ist die Gefahr unmittelbar. Höchstens 14 Tage noch schätzt Dr. Boie als Frist – dann „kippt“ das Wasser um: durch akuten Sauerstoffmangel treten Fäulniserscheinungen auf.

Der Wasserexperte: „Ich hoffe, wir kommen gerade noch über die kritische Phase hinweg.“ Wie wenig ausreichend der mittelfränkische Ballungsraum mit Wasser versorgt ist, zeigte sich schon im Mai, als ebenfalls längere Zeit keine Niederschläge fielen. Damals das gleiche Bild in den Flüssen: akute Gefahr bis nach Forchheim hinunter. Doch dann brachte der Juni viel Regen, und die Gefahr war gebannt. Allerdings: nur für den Augenblick. Und die Wiederholung der Misere macht jetzt einmal mehr deutlich, wie wichtig zusätzliches Wasser aus dem Donauraum und aus dem geplanten Altmühlspeicher für die Noris ist. Dieses Wasser soll – wir berichteten ausführlich darüber – über den Rhein-Main-Donau-Kanal hierher gelangen und in die Rednitz ausgeleitet werden. Ab 1981 wird mit der Fertigstellung des Kanals der Niedrigwasserabfluß der Rednitz viermal so groß sein wie jetzt. Bis zur Jahrtausendwende soll sogar eine fast siebenfache Wassermenge das Rednitzbett füllen. Daß sich in den Flüssen etwas zusammenbraut, ahnt auch Dr. Hans Hartmann, Chef der Nürnberger Abwasserreinigung: „Wir erhielten vom Wasserwirtschaftsamt den Hinweis, möglichst sorgfältig zu arbeiten. Da wußte ich, daß die Wassergüte in den Flüssen sich dem kritischen Punkt nähert.“

Doch auch vor dem Hinweis des Wasserwirtschaftsamtes arbeitete man in der Kläranlage sorgfältig; so sorgfältig, daß sich Dr. Boie in Ansbach wunderte: die Analysen der Kläranlage fielen deutlich besser aus als im letzten Jahr. Er fuhr nach Nürnberg und erfuhr den Grund dafür: das Abwasser wird hier zusätzlich durch sogenannte biologische Tropfkörbe geschickt und mit Chlor versetzt. Boie: „Das war gut so. Die Stadt hat damit alles getan, was sie konnte und geholfen, den Kulminationspunkt hinauszuschieben.“ Das war zum Teil reine „Notwehr“: weil in den großdimensionierten Mischwasserkanälen der Stadt (in ihnen fließen Regen- und Abwasser gleichzeitig ab) bei fehlendem Regenwasser der Schmutz größtenteils liegenblieb und faulte, kam in der Kläranlage übelriechendes Abwasser an. Dr. Hartmann: „Vorher haben wir gar nicht chloren müssen, jetzt laufen die Pumpen dafür schon 18 Stunden am Tag: Chlor bindet den Geruch.“

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