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12. Juni 1971: Die Anwälte trugen ihre Sorgen vor

12.6.2021, 07:00 Uhr
12. Juni 1971: Die Anwälte trugen ihre Sorgen vor

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Im nächsten Jahr will der Minister, wie er erneut betonte, dem Kabinett einen entsprechenden Entwurf vorlegen. Vor allem das Ermittlungsverfahren soll beschleunigt werden. Eine Neugestaltung des Wiederaufnahmerechts soll später folgen.

Die geplanten Reformen werden nach den Worten des Ministers auch für die Anwälte viele Umstellungen mit sich bringen. Die Funktion des Verteidigers als eines wichtigen Rechtspflegeorganes soll jedoch keineswegs gefährdet sein. Insbesondere komme eine Einschränkung der anwaltschaftlichen Vertretung (Anwaltszwang) nicht in Betracht.

Der Minister nahm damit Stellung zu wesentlichen Sorgen der deutschen Rechtsanwälte, die in der Neuordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine wesentliche Einschränkung ihrer Möglichkeiten sehen. Das Justizministerium und die Anwälte sind sich zwar im Grunde einig, daß eine Vereinfachung des Gerichtsaufbaues schnellere Entscheidungen möglich macht und für den Laien überschaubarer ist. Aber der Weg dahin trennt sie. Die Anwälte werfen Jahn vor, daß er sich auf eine Reform festgelegt habe, ohne Beweise für ihre Praktizierbarkeit vorzulegen.

Etwa tausend Anwälte beteiligten sich an den Diskussionen in den Arbeitskreisen. Dabei ging es um die Zulassungsbeschränkung für das Hochschulstudium, die Härteklausel im Scheidungsrecht und die soziale Altersversorgung für Selbständige. Entscheidungen wurden nicht gefällt. Immerhin haben Beschlüsse der Anwaltstage häufig den Anstoß zu Rechtsreformen, zum Beispiel der sogenannten kleinen Strafrechtsreform des Jahres 1965 gegeben.

Der Würzburger Anwalt Hans Moller schickte an Minister Jahn einen Maulkorb nach Nürnberg, um den Zwiespalt zwischen Justizbehörden und Rechtsanwälten zu symbolisieren. Der Maulkorb, so schrieb er, eigne sich besser als Anwaltskammern und Ehrengerichte, unsachliche Kritik an der Justiz billig und rationell zu unterbinden. Das Gerät könne serienmäßig gefertigt werden, leide nicht an schlechtem Gewissen und habe trotz seiner braunen Farbe keine NS-Vergangenheit.

Für den bayerischen Justizminister Dr. Philipp Held gab es als „Reinerlös einer Pflichtverteidigerstunde“ eine Spende von 90 Pfennig, laut Beischreiben zur Linderung der Armut des Freistaates. Nach Ansicht der Anwälte zahlt Bayern die Pflichtverteidiger besonders schlecht.

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