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13. Juni 1971: „Der Mann schläft doch seit Jahren“

13.6.2021, 07:00 Uhr
13. Juni 1971: „Der Mann schläft doch seit Jahren“

© Kammler

Zugleich werden Bundes- und Staatsregierung aufgefordert, den Plan aufzugeben, dafür einen geeigneteren Standort zu suchen und zu prüfen, ob nicht alle Truppen aus dem Ballungsraum Nürnberg verlegt werden können.

Über die schon ausführlich genannten Gründe brauchten sich die Kreisräte nicht lange zu verbreiten. Sie machten sich die Gegenargumente der Gemeinden zu eigen.

Um so lebhafter kommentierten die Kommunalpolitiker aus dem Umland die Absicht, den amerikanischen Verbänden 513 Hektar Wald zum Üben mit Panzern und Hubschraubern zur Verfügung zu stellen, und die beschwichtigende Darstellung, die Ministerialrat Helmut Penzel (Wehrreferent der Staatskanzlei) dazu gegeben hat.

Niemand stimmt zu

„Der Mann schläft seit Jahren. Wie hätte er sonst sagen können, daß der Betrieb auf dem US-Flugplatz keinen Lärm verursacht“, rief SPD-Landtagsabgeordneter und Kreisrat Leonhard Heiden. Er nahm dem hohen Beamten auch die Erklärung nicht ab, daß die US-Soldaten nur exerzieren würden: „Zum Exerzieren brauche ich keine Panzerstraße.“

Unmut und Argwohn zum Verfahren bekundete Fischbachs 1. Bürgermeister Peter Höffkes wegen der Erfahrungen beim Bau des US-Flugplatzes. Das Projekt (damals beteiligt: Regierungsdirektor Helmut Penzel) war unter dem Siegel der Geheimhaltung gelaufen.

Die Arbeiten hatten bereits zu einem Zeitpunkt begonnen, als das Anhörungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. „Diesmal hat man den Stempel ‚geheim‛ vergessen“. erklärte Höffkes, der aus dem Protokoll des Anhörungsverfahrens vom 28. Dezember 1962 zitierte: mit einer Ausweitung sei nicht zu rechnen.

Ehe die Nürnberger Kreisräte über parteipolitische Schranken hinweg zur einmütigen Resolution kamen, versuchten sie, auch eine vorläufige Protestbilanz zu ziehen. Das Fazit: den Betroffenen wird von allen Seiten Unterstützung zuteil.

Die Gemeinden und deren beunruhigte Bevölkerung fanden Gefolgsleute in Bundesminister Käte Strobel, Staatsminister und Langwasser-Eigenheimer Dr. Fritz Pirkl, in Bundes- und Landtagsabgeordneten und in der ganzen mittelfränkischen Bevölkerung. Die Stadt Nürnberg mit OBM Dr. Andreas Urschlechter sowie die Stadtratsfraktionen bekundeten eindeutig ihre Gegnerschaft. Bei der Stadtratssitzung am kommenden Mittwoch soll der Protest formuliert werden.

Nach dem Vorstadtverein Zollhaus-Langwasser hat sich neuerdings die evangelische Kirche in dem neuen Stadtteil eingeschaltet. Ihre Mitglieder sammeln ebenfalls Unterschriften. Der SPD-Ortsverein Langwasser und die Nürnberger Jungsozialisten haben zahlreiche Organisationen für Montag, 20 Uhr, in das Gemeinschaftshaus eingeladen, um gemeinsame Initiativen zu besprechen.

Das Landratsamt und Naturschutzbeauftragte wehren sich gegen den Eingriff in Landschaftsschutzgebiet und Erholungsgelände, der tiefgreifende Auswirkungen auf kommunale Planungen zur Folge haben könnte. Der von der Stadt und dem Landkreis Nürnberg sowie vom Landkreis Schwabach gebildete Naherholungsverein wird seinen Einspruch bei einer Sitzung in den nächsten Tagen formulieren.

Siedlungsgebiet weniger wert

Mehrere Wohnungsbaugesellschaften, die nahe des vorgesehenen Militärgeländes Grundstücke erschlossen und bebauten, sowie zahlreiche Besitzer von Eigenheimen und Eigentumswohnungen haben beim Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltschutz Schadensersatzforderungen geltend gemacht, weil das Siedlungsgebiet und die bereits errichteten Gebäude mit einem Schlag weniger wert sind, weil für Neubauten auf solchem Gelände kaum Käufer zu finden sind.

Wie heftig sich die Bevölkerung zur Wehr zu setzen gedenkt, zeigte sich bei der Gründung einer Bürgergemeinschaft in Feucht gegen den Truppenübungsplatz. Der Rathaussaal konnte die Interessenten nicht fassen, so daß die Versammlung in das Jugendheim verlegt werden mußte, dessen Räume brechend voll waren.

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