13. September 1969: Ruhige Generalprobe

13.9.2019, 07:00 Uhr
13. September 1969: Ruhige Generalprobe

© Kammler

Bis auf die üblichen Störmanöver der jungen Demonstranten verlief die Veranstaltung vor rund 2.500 Besuchern in der Meistersingerhalle einigermaßen ruhig. Nicht zuletzt ein Verdienst der Polizei, die sich auch bei massiven Anpöbeleien nicht aus der Ruhe bringen ließ und allein durch ihre zahlenmäßig so starke Präsenz die erhitzten Gemüter abkühlte.

Bereits kurz nach 18 Uhr, zwei Stunden vor dem offiziellen Veranstaltungsbeginn, als sich die ersten Schaulustigen auf dem Platz vor der Meistersingerhalle einfanden, zog noch ein Sportflugzeug am Nürnberger Himmel seine Bahn und „malte“ mehrmals die Buchstaben NPD an das Firmament.

Um 18.30 Uhr waren alle Polizeikräfte in und um die Halle zusammengezogen. Barrieren, um unter Umständen Demonstranten besser zu „kanalisieren“, waren vor dem Haupteingang aufgebaut. Die Halle selbst war bereits intensiv durchsucht, um eventuell eingehenden Bombendrohungen, wie sie bei derartigen Veranstaltungen üblich sind, gleich die Spitze abbrechen zu können. Die Entlüftungsschächte auf dem Dach der Halle waren von Polizeibeamten besetzt. Angetan mit ihren weißen Schutzhelmen harrten Bepo und Schutzpolizei der Dinge, die da kommen. Es kam nicht viel.

Einziger transparent tragender Demonstrant war ein alter, am Stock gehender Rentner, der auf seiner kleinen, selbstgefertigten Tafel gegen die Nationaldemokraten wetterte. Später wirkte der kleine Mann aber wie ein Anziehungspunkt auf andere, unbeschilderte Protestler.

Im Foyer des Großen Saales postierte er sich direkt vor der Kasse – jeder Zuhörer Thaddens mußte zwei Mark berappen – und scharte Gleichgesinnte um sich. Ein erster Zusammenstoß mit einigen der rund 200 NPD-eigenen Saalordner bahnte sich an. In Kettenformation drängten die Schutzpolizisten die Gruppe rechtzeitig ins Freie und ließen sich auch nicht durch Chöre wie „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ und „Ho-Tschi-Minh“-Rufe zu Unüberlegtheiten hinreißen.

Selbst die ersten durch die Luft fliegenden Eier auf dem Vorplatz des Gebäudes nahmen die Ordnungshüter gelassen hin. NPD-Leute wiederum versuchten, gegen einige Demonstranten Anzeige wegen Sachbeschädigung zu erstatten. Zum stummen Protest hatten die Demonstranten NPD-Zeitungen in kleine Schnitzel gerissen und verstreut.

Vor den Barrieren im Freien entfachten APO-Leute ein Feuer. Auch darauf reagierten die Ordnungshüter nicht, um den Demonstranten auch nicht den geringsten Anlaß zu Ausschreitungen zu geben.

In der Halle selbst saß, auf einen Flügel verteilt, eine etwa 200 Mann starke Protestier-Gruppe, die die Rede Adolf von Thaddens wiederholt in rhythmischem Klatschen „Adolf“- Rufen und „Sieg-Heil“-Parolen untergehen ließen. Verschiedentlich kam es zu kleineren Tumulten, die die sofort einschreitenden Beamten der Schutzpolizei im Keim erstickten.

Gegen Ende der Veranstaltung – es war nicht zu übersehen, daß die NPD-Ordner immer wieder die Demonstranten provozierten – wurde einer der Ordner vorübergehend festgenommen. Reaktion seiner schlagkräftigen Kollegen: sie führten einen Demonstranten ab, der angeblich einen Ordner geschlagen hatte. Auch der Schluß der Versammlung verlief recht undramatisch. Auf der Straße bildeten sich noch kurze Zeit diskutierende Gruppen sowie Grüppchen, die sich unter einer Laterne zum friedlichen Sit-in versammelten. Der Schlachtruf der APO – etwa 150 Mann: „APO komm!“ verhallte ungehört.

Die Helden waren milde – oder schonten ihre Kräfte für den 26. September, an dem eingeweihte Kreise mit einer wahren Schlacht auf dem Hauptmarkt rechnen, wenn Thadden auf einer weiteren NPD-Großkundgebung sprechen wird.

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