15. Dezember 1969: Pflichtübung Vietnam

15.12.2019, 11:56 Uhr
15. Dezember 1969: Pflichtübung Vietnam

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Erst als der Zug bereits offiziell für aufgelöst erklärt worden war, kam es auf dem Christkindlesmarkt doch noch zu einem Zwischenfall, in dessen Verlauf vier Halbwüchsige vorübergehend festgenommen wurden.

Aufgerufen zu diesem Marsch wider den Vietnam-Krieg hatte die „Initiative Internationaler Vietnam-Krieg“, die den unverzüglichen und bedingungslosen Abzug der US-Truppen fordert.

Gegen 15 Uhr hatte sich der Zug vom Obstmarkt aus in Bewegung gesetzt. Die Sprechchöre einzelner kleiner Gruppen verhallten wirkungslos. Erst die zahlreichen Türken und Griechen sorgten mit alten heimatlichen Volksliedern für etwas Auflockerung. Die Parolen, die man hörte und auf Spruchbändern sah, waren die gleichen wie beim Marsch am 5. November: „Keine Mark für den Vietnam-Krieg“, „Amis raus aus Vietnam“ oder „Für den Sieg im Volkskrieg“.

Zielscheibe war Präsident Nixon

Übergroße Fotos des Verstorbenen kündeten von der Verbundenheit mit Ho Tschi Minh. Erster Halt wurde vor dem griechischen Konsulat in der Königstraße eingelegt, an dessen Fassade einige Eier zersprangen. Vor dem Amerikahaus, das auch diesmal wieder von einem Zug der Bereitschaftspolizei geschützt wurde, entlud sich anschließend die Antipathie der Demonstranten gegen die USA und Präsident Nixon.

Hier wurde auch erstmals bekannt gegeben, daß die zum Protestmarsch aus den Vereinigten Staaten erwarteten radikalen „Black Panther“-Vertreter keine Einreise-Erlaubnis in die Bundesrepublik erhalten hatten und vom Frankfurter Flughafen aus gleich abgeschoben worden waren. Nachdem auch einige Eier am Amerikahaus gelandet waren, marschierte der Zug unentschlossen weiter. Mehrmals teilte er sich in Gruppen, die in verschiedene Richtungen strebten. Auf dem Platz vor der Lorenzkirche wurde die Demonstration offiziell aufgelöst.

An sich hätte nun eine Diskussion im Audimax der 6. Fakultät auf dem Programm gestanden. Doch die Genehmigung hierzu war kurzfristig zurückgezogen worden. Also drängten sich die Demonstranten unter die Menschen auf dem Christkindlesmarkt. Der Versuch, mit den Käufern zu diskutieren, schlug fehl. Aus Zorn darüber und über die „Spießbürger“ hängten einige Marschierer ihre Plakate an die Krippe und über die Engel, was bei den in- und ausländischen Besuchern keinerlei Beifall fand. Die Polizei schritt ein.

Es kam zu einem kurzen Handgemenge. Eine 16jährige Schülerin und drei Männer im Alter von 17 bis 20 Jahren wurden abgeführt und zum Vernehmungswagen gebracht, der bald von wild schimpfenden Demonstranten umlagert war. Der Versuch eines Demonstranten, die Festgenommenen aus den Händen der Polizei zu befreien, schlug fehl. Erst als das Fahrzeug mit den zwei Festgenommenen in Richtung Polizeipräsidium abgefahren war, mischten sich auch die letzten Protestler still unter die Marktbesucher und stärkten sich bei Nürnberger Bratwürsten.

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