150 Jahre Alpenverein: Berge bleiben ein Sehnsuchtsort

5.5.2019, 14:11 Uhr
150 Jahre Alpenverein: Berge bleiben ein Sehnsuchtsort

© Michael Husarek

NZ: Herr Tittus, der DAV Nürnberg ist der drittgrößte Sportverein in der Stadt. Wie haben sich die Mitgliederzahlen entwickelt?

Wolfgang Tittus: Im Mai 1869 wurde der Deutsche Alpenverein in München gegründet. Im November ist ihm die Sektion Nürnberg beigetreten. Wir hatten elf Gründungsmitglieder, alles Bergsteiger und Kletterer. Schon damals wurde in der Fränkischen geklettert. Mit dem Bau der Hütten kamen dann auch Wanderer hinzu. Der DAV war anfangs ein reiner Männerverein und bürgerlich geprägt. 1904 spalteten sich die Arbeiter ab und gründeten die Sektion Noris. Heute gibt es dieses Klassendenken freilich nicht mehr.

Bis in die 1990er Jahre sind wir dann auf 8500 Mitglieder gewachsen. Dann haben die bisherigen Ortsgruppen Altdorf, Feucht und Roth eigene Sektionen gegründet, die Mitgliederzahlen sind dadurch auf unter 6000 gesunken. Derzeit haben wir rund 12.000 Mitglieder und sind die größte von fünf Sektionen im Stadtgebiet.

NZ: Viele andere Vereine klagen über sinkende Mitgliederzahlen. Warum entwickelt sich der DAV gegen den Trend so gut?

Tittus: Vor zehn Jahren dachte man noch, das klassische Bergwandern stirbt aus. Und jetzt überrennen die Menschen die Berge. Es sind auch viele junge Leute unterwegs. Die Berge sind nach wie vor ein Sehnsuchtsort. Klettern ist mittlerweile ein Trend- und Massensport. Viele Mitglieder wollen das Angebot an Kursen, Touren, Führern und Kartenmaterial des Alpenvereins nutzen. Als Mitglied ist man außerdem versichert und kann auf den Hütten preisgünstig übernachten.

NZ: Apropos Klettern: Viele Sektionen im Umland haben in den vergangenen Jahren Kletterhallen gebaut. Wann gibt es eine in Nürnberg? Und macht das angesichts der Konkurrenz noch Sinn?

Tittus: Der Kletter-Boom wird etwas nachlassen, sagen die Experten. Aber ich gehe davon aus, dass es noch Jahrzehnte eine aufstrebende Sportart sein wird. In Nürnberg gibt es auf jeden Fall noch Bedarf. Wir haben zehn Jahre lang nach einem passenden Grundstück gesucht. Das war nicht einfach, denn wir hatten konkrete Vorstellungen, was die Lage betrifft: Die Halle sollte möglichst im Nordwesten der Stadt liegen, damit auch Fürther und Erlanger sie gut erreichen können. Auch war wichtig, dass es kein reines Wohngebiet ist.

Wir haben jetzt im Stadtteil St. Johannis mit dem ehemaligen Gelände der DJK Bayern eine Fläche gefunden, auf der es schon seit Jahrzehnten eine sportliche Nutzung gibt. Derzeit prüft die Stadtverwaltung, ob wir dort bauen können. Wir hoffen, das wir noch heuer eine Zusage bekommen. Geplant ist ein gemeinsames Projekt mit dem Faschingsverein "Luftflotte des Prinzen Karneval". Es soll von außen ein Gebäude werden, innen aber getrennt sein. Von unserer Seite ist eine Kletterhalle, Funktionsräume und ein Bistrobetrieb vorgesehen. Auch unsere Geschäftsstelle soll dort unterkommen. Wir hoffen, dass wir 2022 eröffnen können.

Wolfgang Tittus ist Vorsitzender des DAV Nürnberg.

Wolfgang Tittus ist Vorsitzender des DAV Nürnberg. © Stefan Hippel

NZ: Wird das den Verein verändern?

Tittus: Ja, wir werden einen Teil haben, der rein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten agiert. Wir wollen den Betrieb der Halle in eine kommerzielle Gesellschaft ausgliedern, das ist mit Ehrenamtlichen bei der geplanten Größe nicht zu leisten. Die Anlage soll allen offen stehen. Eine reine Vereinshalle macht keinen Sinn. In der Region gibt es viele Kletterer, die nicht organisiert sind und trotzdem klettern wollen. Wir halten es für wichtig, den Hallenbetrieb und die anderen Vereinsaktivitäten sauber zu trennen, damit es in der Sektion keinen Unmut gibt und es heißt, alles dreht sich nur noch um die Kletterhalle. Wir rechnen damit, dass unsere Mitgliederzahlen deutlich steigen werden.

NZ: Gibt es genug Freiwillige, die sich als Trainer, Gruppenleiter oder in der Vereinsorganisation engagieren?

Tittus: Wir haben eigentliche keine Schwierigkeiten, Leute zu finden. Wenn eine Qualifizierung nötig ist, finanzieren wir das. Es gibt manchmal das Problem, dass jemand aus Altersgründen aufhört, der seine Arbeit sehr gut gemacht hat. Aber da nehmen wir als Vorstand die Ängste: Wenn du die Aufgabe übernimmst, dann machst du es so, wie du es für richtig hältst und zeitlich schaffst. Und dann ändert sich halt mal was, auch wenn wir ein Traditionsverein sind.

Wichtig ist uns, dass unsere Gruppen völlig frei agieren können. Jede Gruppe hat einen Jahresetat, wie der verwendet wird, ist deren Sache, da mischt sich der Vorstand nicht ein. Und wenn für ein besonderes Projekt weitere Mittel gebraucht werden, kann man mit uns reden. Im Berufsleben wird der selbstständige, eigenverantwortliche Mitarbeiter gefragt, im Vereinsleben ist das auch so.

NZ: Umweltschutz wird immer wichtiger und es wird in den Publikationen des DAV appelliert, möglichst mit Bus und Bahn in die Berge zu fahren. Wird das gemacht?

Tittus: Das ist wirklich schwierig, vor allem weil wir uns als alpenferne Sektion da schwertun. An einem Freitagnachmittag von Nürnberg aus bis ins Gebirge zu kommen, ist ohne Auto kaum möglich. Wir appellieren an unsere Mitglieder, Fahrgemeinschaften zu bilden.

Bei Kursen wird das immer gemacht. Wegen Datenschutzvorgaben können wir außerhalb dieser Veranstaltungen die Telefonnummern und Mailadressen unserer Mitglieder jedoch nicht herausgeben. Insgesamt muss man darüber diskutieren, ob es im Sinne der Umwelt ist, jedes zweite Wochenende mit dem Auto in die Westalpen zu fahren. Besser ist es, einen längeren Zeitraum im Gebirge zu verbringen.

NZ: Vor einigen Jahren wurde die Nürnberger Hütte in den Stubaier Alpen modernisiert. Warum war das nötig?

Tittus: Die Nürnberger Hütte wurde 1889 gebaut und ist somit 130 Jahre in Betrieb. Wir hatten einige Baustellen: Bei der Abwasserentsorgung musste etwas passieren, weil die Vorschriften erheblich verschärft wurden. Und auch die Energieversorgung war problematisch, weil unser altes Wasserkraftwerk zu wenig Leistung hatte. Deshalb haben wir diese beiden technischen Einrichtungen komplett modernisiert. Außerdem wurde die Seilbahn auf Werksbetrieb umgestellt.

Jetzt können auch Mitarbeiter, wenn sie mal einen freien Tag haben, schnell ins Tal und müssen nicht drei Stunden laufen. Das erleichtert auch die Personalgewinnung. Außerdem wurden Küche und sanitäre Anlagen modernisiert. Das war nach vielen Jahren einfach notwendig. Wir haben in sechseinhalb Jahren 1,7 Millionen Euro investiert. Wir haben Zuschüsse bekommen, mussten aber auch ein Darlehen aufnehmen. Das ist jetzt abbezahlt.

NZ: Ist die Nürnberger Hütte ein Draufzahlgeschäft?

Tittus: Es hält sich die Waage. Die Hütte ist sehr gut besucht, deshalb haben wir in normalen Jahren einen Überschuss. Wenn Investitionen anstehen, brauchen wir aber die Überschüsse aus mehreren Jahren.

NZ: Wie feiert der DAV Nürnberg sein 150-jähriges Bestehen?

Tittus: Für unsere Mitglieder organisieren wir eine Zelt- und Hüttenfreizeit und eine Jubiläums-Sonnwendfeier. Für die Öffentlichkeit wird am 20. September eine Ausstellung des Alpinen Museums München und unserer Geschichts-Arbeitsgruppe im Stadtmuseum Fembohaus eröffnet.

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