17. April 1965: Schlösser, die am Wege liegen

17.4.2015, 07:00 Uhr
17. April 1965: Schlösser, die am Wege liegen

© Gerardi

Überall finden sich noch die alten Herrensitze, die viele Stürme überdauert haben: in Almoshof und in Reichelsdorf, in Schniegling und in Mögeldorf, aber selbst im Stadtkern. Sie sind heute keine Lustschlößlein mehr wie zu Zeiten des reichsstädtischen Bürgertums, sondern beinahe ganz gewöhnliche Wohnhäuser, die sich freilich mit dicken Mauern, lustigen Erkern und anderen eigenwilligen Formen hervortun.

Alle diese kleinen Schlösser sind jedoch mit großen Namen der Stadtgeschichte verbunden – mit Namen von Patrizierfamilien wie Haller, Holzschuher, Pfinzing, Scheurl und Tucher.

Freuden des Landlebens

Nur ein Sproß jener Geschlechter, die einst den Kaisern Geld gepumpt und Nürnberg zu hoher Blüte gebracht haben, wohnt noch in einem solchen Herrensitz: Christof Freiherr von Tucher ist in Schoppershof daheim. An seinem Schloß läßt es sich am besten ermessen, wie die alten Nürnberger gelebt haben, wenn sie sich im Sommer aus der heißen und seuchengefährdeten Stadt zurückgezogen haben, um die Freuden des Landlebens zu genießen. Schoppershof steht zwar heute im Schatten von modernen Hochhäusern, aber sein historischer Wert ist noch am wenigsten geschmälert.

Ist es nun eine Lust, in einem Lustschlößlein sein Zuhause zu haben? „Es ist alles Gewohnheitssache“, meint Sohn Dr. Hermann von Tucher, der in diesem Haus geboren ist, sich jedoch längst von der eiskalten Wendeltreppe und der vielen Arbeit mit der Ofenheizung in ein Heim aus jüngeren Tagen zurückgezogen hat. Mehr noch als der Schloßherr klagt das Personal über die vielen Wege treppauf, treppab und das Abstauben von Renaissance-Gesimsen.

Aber wo viel Schatten, da ist auch viel Licht. „Im Sommer läßt es sich hier gut sein, weil es angenehm kühl ist“, versichert Dr. Hermann von Tucher. Vor allem aber preist er die Vorzüge eines solchen Schlosses für gesellschaftliche Ereignisse. „Da ist es wirklich einmalig schön und stimmungsvoll!“ Und schließlich weht durch alle Räume des Herrensitzes Schoppershof, von dem 1370 Kunde überliefert ist, der Hauch der Vergangenheit. In diesen Mauern fand die letzte große diplomatische Begebenheit in der Reichsstadt statt, als am 11. September 1649 der Durchführungsvertrag zum Westfälischen Frieden unterzeichnet wurde. An diese denkwürdige Stunde erinnert ein wuchtiger, runder Tisch in der malerischen Eingangshalle.

Die meisten Bewohner dieser Häuser sind heutzutage ganz normale Bürger, obwohl die Bauten ursprünglich nicht für sie hingestellt worden sind. Im 12. Jahrhundert schon hausten auf solchen Plätzen in Wasserburgen oder turmähnlichen Häusern sogenannte Ministeriale als Dienstmannen oder unfreie Ritter; andere Herrensitze wurden von reichen Nürnbergern angelegt, die ihre auswärtigen Besitztümer wie Fischweiher, Hammerwerke oder Bauernhöfe, schützen wollten.

So entstand beispielsweise das Zeltner-Schloß in Gleißhammer, in dessen Wassergraben jetzt die Fischerei-Abteilung des ESV Nürnberg-West ihre Angeln auslegt, einmal zur Sicherheit eines Hammerwerkes. Es ist eines der reizvollsten Schlößlein geblieben, sehr zur Freude der Bundesbahn-Bediensteten, die auf einer Insel fernab vom Lärm der Straße wohnen.

Der Tradition verpflichtet

Doch der Spaß an solchen Sitzen ist erst jüngeren Datums, denn anfänglich sollten die turmartigen Bauten auf einer quadratischen Grundfläche den Feind abhalten. So unscheinbar sie einzeln ausgesehen haben mögen, ihre Menge wirkte doch abschreckend. Der Rat der Stadt erachtete die Häuser als wichtig genug, um von den Besitzern „Öffnungs-Verschreibungen“ zu verlangen, damit sie im Kriegsfall militärisch besetzt werden konnten. Dieser Umstand sollte den Herrensitzen, die – wie Erich Mulzer in seinem Buch „Vor den Mauern Nürnbergs“ (Spindler-Verlag) berichtet – größeren Heeren und starken Feuerwaffen von vornherein nicht gewachsen waren, im zweiten Krieg gegen den bösen Ansbacher Markgrafen 1552/53 zum Verhängnis werden.

Dutzendweise fielen sie den Flammen zum Opfer. Aber dieser Feuersturm hatte auch eine gute Seite, denn die meisten „Sitzlein“ wurden rasch wieder aufgebaut, wobei ein einheitliches Bild entstand. Zwar konnten die Grundmauern meistens wieder verwendet werden, aber zu den Eigenarten der vormaligen Weiherhäuser kamen neue Merkmale der Renaissance. Die vierspitzigen Erker an den Enden des steilen Satteldaches sind dafür ein augenfälliges Kennzeichen. Der trutzig-wehrhafte Eindruck blieb erhalten, einmal weil sich die Nürnberger damals schon der Tradition verpflichtet fühlten, zum anderen weil das reiche Patriziat dem Landadel ebenbürtig zu sein versuchte.

Nur im Dreißigjährigen Krieg klang noch einmal auf, daß die Herrensitze auch militärisch zu gebrauchen sind. Lichtenhof war damals als Hauptquartier des Schwedenkönigs in eine Befestigung eingefügt. Der Name der benachbarten Gustav-Adolf-Kirche deutet auf dieses Ereignis hin. Der Krieg selbst brachte den Schlößlein lange nicht so viel Schaden wie die Auseinandersetzungen mit den Markgrafen. Nach seinem Ende bauten die Nürnberger trotzdem ihre Herrensitze um, denn nun kam die Mode auf, Repräsentation vor Wehrhaftigkeit zu stellen. Als Vorbild dienten die Barockschlösser des Adels, die offen und unbefestigt im Lande standen.

Die Nürnberger müssen schon bis nach Mögeldorf hinausgehen, um auf dem Kirchenberg den ältesten Herrensitz in einigermaßen unverfälschter Form zu finden. Die anderen Schlößlein haben sich allesamt Beiwerk zugelegt, das nicht mehr ganz ursprünglich ist. Besonders der barocke Park schien das Ziel aller Träume, die Innenräume wurden umgekrempelt und sogar noch der Sandstein der Fassaden (Hummelstein, Erlenstegenstraße 111) kam unter Verputz. Weit schlimmer freilich erging es den Herrensitzen, als sie in Wohnhäuser umgewandelt und damit ihres Schmuckes im Inneren beraubt werden mußten.

Heute liegen die Lustschlößlein, die keine mehr sind, im Schatten moderner Wohnungen. Aber sie spiegeln in einem nüchteren Jahrhundert etwas vom Glanz der guten, alten Zeit wider. Die Nürnberger brauchen daher keine Schlösser, die im Monde liegen . . .

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