17. April 1969: "Ohm" wird boykottiert

17.4.2019, 07:04 Uhr
17. April 1969:

© Holzknecht

Dozenten und Assistenten ließen der Vollversammlung in der Mensa des Ohm freien Lauf, mit anderen Worten: sie stehen geschlossen hinter den Forderungen der Studentenschaft.

In einer Erklärung macht der AStA des Ohm-Polytechnikums Nürnberg seinem angestauten Ärger über die bayerische Kulturpolitik im allgemeinen und über die Fachschulgesetze im besonderen Luft:

„Augenwischerei betrieben“

„Die Studentenschaft mußte erleben,“ heißt es wörtlich, „daß ihre jahrelangen Bemühungen um Reformen bei den Politikern auf völliges Unverständnis gestoßen ist und mit politischen und juristischen Winkelzügen eine Augenwischerei betrieben wird, die den einzigen Zweck verfolgt, die Studentenschaft so lange hinzuhalten, bis der von allen Betroffenen abgelehnte Gesetzentwurf im bayerischen Landtag beschlossen ist.“

Fünf Stellungnahmen

„Nicht nur die Studenten lehnen die bisher vorgelegten völlig unzureichenden Entwürfe ab, sondern auch die Rektoren, Dozenten, berufsständischen Ingenieure und der Verein Deutscher Ingenieure.“

„Der Beschluß der Ministerpräsidenten vom 31.10.1968, eine zwölfjährige schulische Vorbildung für Ingenieurstudenten einzuführen und die Fachhochschulen in den Hochschulbereich einzugliedern, wurde vom Kultusministerium bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt und sinnentstellt.“ In bisher fünf Stellungnahmen verliehen die betroffenen Verbände – AdD, SBI, VDBI, ZBI und VDI – ihrem Protest gegen den vorliegenden Referentenvorentwurf Ausdruck. So fordern sie in den Kernpunkten, Fachhoch-schulen das Recht der Selbstverwaltung zuzugestehen, die Bestimmung, die „Zahl der Unterrichtstage soll mindestens 220 Tage im Jahr betragen“, ersatzlos zu streichen und den Studenten der Fachhochschulen die gleichen Rechte und Aufgaben einzuräumen wie den Studenten an den übrigen Hochschulen.

Zwang zu einer Entscheidung

Über die Konsequenzen eines unbefristeten Vorlesungsstreiks sind sich die Studenten durchaus im klaren. AStA-Vorsitzender Helmuth Lindner stellt fest: „Wir sind bereit. das Semester aufs Spiel zu setzen. Aber schließlich dokumentiert diese Bereitschaft der Studenten, ein derart großes finanzielles und zeitliches Opfer zu bringen, die absolute Notwendigkeit der Ingenieurschulreform!“ Mit dem Boykott haben die Studenten in ihrem Kampf gegen Kultusminister Dr. Ludwig Huber zum bisher schärfsten Mittel gegriffen. Sie hoffen, daß sich die Streikwelle von Nordrhein-Westfalen und Nürnberg auch auf andere Bundesländer verbreitet und somit die Ministerpräsidenten zu einer endgültigen Entscheidung gezwungen werden.

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