18. Januar 1970: Die Blauen bauen nicht ins Blaue

18.1.2020, 07:00 Uhr
18. Januar 1970: Die Blauen bauen nicht ins Blaue

© Contino

Zusammen mit Baureferent Heinz Schmeißner und dessen designierten Nachfolger Otto Peter Görl stellte er gestern ein Vorprojekt vor, das – angeregt durch den Oberbürgermeister – von einer DGB-Wohnungsbaugesellschaft entworfen worden ist. Der terrassenförmige Neubau neben St. Elisabeth würde rund 15 Millionen DM kosten, vorausgesetzt, die Preise bleiben in vernünftigen Grenzen.

Ein weiterer Plan des Hochbauamtes – es hat untersucht, ob aus städtebaulichen Gründen nicht ein größeres Volumen vertretbar wäre – kommt etwas teurer. Er blieb noch in der Schublade verborgen.

Um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, er baue einfach ins Blaue hinein, schilderte Dr. Herold zunächst einmal, warum er den Erweiterungsbau so dringend braucht. Polizeitaktische, personelle und soziale Grüne ließen ihn zur Eile mahnen, wobei vor allem die Umorganisation eine Rolle spielt. Ohne die anderen Bezirke aus den Augen zu verlieren, will der Präsident – wie mehrfach berichtet – die Beamten mit modernsten technischen Mitteln ausrüsten und dort konzentrieren, wo die Gauner lebendig werden: in der City.

Darüber hinaus zwingt ihn die Personalentwicklung – über die Hälfte der Nürnberger Polizisten wird bis 1975 in den Ruhestand gehen, ohne daß ausreichender Nachwuchs in Sicht ist – dazu, bis auf das nahe dem künftigen Hafen und Langwasser gelegene Revier 2 an der Saarbrückener Straße die „Außenposten“ aufzulösen. „Den Luxus einer dezentralen, personell aufwendigen Unterbringung können wir uns nicht mehr leisten“, erklärte er. Ganz im Stil der neuen Zeit soll das Innere des Neubaues gestaltet werden. Im zentralen Einsatzraum schlägt das Herz des Präsidenten. Wie die NASA-Techniker auf Kap Kennedy werden die Einsatzleiter am Pult sitzen, vor sich die Bildschirme, die das Geschehen an wichtigen Punkten des Stadtgebietes widerspiegeln.

Hier in der Zentrale können bis zu 120.000 Notrufe im Jahr empfangen werden, hier fragt der Beamte den Computer ab, hier kommen die Funkgespräche an, die künftig auch der Polizist auf Schusters Rappen über Geräte von doppelter Zigarettenschachtelgröße führen kann. „Der Mann draußen verfügt damit über das genannte Polizeiwissen“, schwärmte der Präsident und fügte hinzu: „Der Weg zur Polizei wird für den Bürger so weit, wie das nächste Telefon entfernt ist. In Minuten garantieren wir angemessene Hilfe.“

Daneben enthält der Bau eine zweigeschossige Tiefgarage, kleine Büroräume und Großraumbüros geschickt gemischt, eigene Zimmer für Ermittlungs- und Haftrichter, einen Lehrsaal und natürlich Haftzellen. Zugleich werden in diesem Trakt die Küche und die Kantine untergebracht, damit sich die Beamten endlich in würdiger Umgebung stärken können.

Das Gebäude – gegenüber dem Modell des Vorprojektes kann sich noch einiges ändern – soll sich anstatt des historisch kaum hochwertigen „Neumann-Baues“ harmonisch in die Umgebung einfügen. Besonders reizvoll: der an der Karl-Grillenberger-Straße gedachte, der Öffentlichkeit zugängliche Hof, über den dann auch die Elisabethkirche von der Nordseite her zugänglich wird. Eine Baumreihe schirmt die „Insel“ zur Straße hin ab.

Der einzige Schönheitsfehler: noch handelt es sich um erste Planungen des Hauses, dessen geschätzte Bausumme noch keine Ausgaben für die umfangreichen Betriebseinrichtungen enthält, dessen Finanzierung noch den Stadtrat beschäftigen wird. Deshalb mußte Dr. Herold gestern auch kühne Hoffnungen zu Grabe tragen. Von einem Baubeginn in diesem Jahr kann nicht die Rede sein.

Baureferent Heinz Schmeißner ließ sich aber ausnahmsweise einmal auf Termine festnageln: 1971 kann der erste Spatenstich nach dem Abbruch des Neumann-Baues getan werden, etwa Ende 1975 der moderne Polizeibetrieb anrollen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare