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19. Januar 1972: Mogelpackung bleibt nun liegen

19.1.2022, 07:00 Uhr
19. Januar 1972: Mogelpackung bleibt nun liegen

© Friedl Ulrich

Fragen, auf die kaum eine Hausfrau eine Antwort weiß, die auch den Experten oft Kopfzerbrechen machen. Soviel Wirrwarr herrscht bei Verpackungsgrößen, Grundpreisen und Inhalt, daß bisher kaum jemand den Überblick behalten konnte – geschweige denn kritisch vergleichen, was und in welchem Umfang er einkauft. Dieses Durcheinander soll künftig geordnet werden. Teilweise und Schritt für Schritt wenigstens. Denn seit dem 1. Januar ist eine Verordnung aus dem Ministerium Käte Strobels in Kraft, wonach zum Schutz des Verbrauchers eine bessere Kennzeichnung von Fertigpackungen gewährleistet sein muß – damit die Preise durchsichtiger werden und die Hausfrau im Supermarkt nicht zu einer Mogelpackung nach der anderen greift.

Vorteil für den Handel

Begrüßt wird die neue Verordnung auch vom Einzelhandel. Geschäftsführer Friedrich Graeff in Nürnberg: „Einerseits werden die Kunden besser über die Preisbildung informiert, andererseits wird der Handel mit der Lagerung viel weniger Schwierigkeiten haben, da es weniger Größen gibt.“ Dieser Ansicht ist auch die Verbrauchergemeinschaft Nürnberg. Auch wenn Beraterin Irmgard Bergmann nicht durchwegs glücklich ist über die Lösung. „Der Pferdefuß ist zum Beispiel bei Obst und Gemüse. Da wird auch noch in Stückzahl gerechnet.“ Sie findet, daß immer noch zu viele Größen erlaubt sind. „Krumme“ Gewichte sollen durch das neue Gesetz vermieden werden. Stark eingeschränkte Verpackungsgrößen werden außerdem dazu beitragen, mehr Übersicht im Lager und im Laden zu haben. Und obendrein erhofft sich der Gesetzgeber von der Angabe verbindlicher und unverbindlicher Werte künftig mehr Standardmaße, die die ärgerlichen krummen Gewichte mit der Zeit ausschalten werden.

Gültig für Flüssigkeiten

Wer sich als Hersteller also an diese Standardreihe hält, ist von der Grundpreisauszeichnung befreit, da dann der Preisvergleich möglich ist. Wer jedoch einen Blick in die Regale der Supermärkte wirft, wird da eine Menge Ungereimtes (jetzt noch) entdecken: Das Haushaltspaket Waschpulver mit 460 Gramm Inhalt zum Preis von 2,15 DM und gleich daneben eins für 3,15 DM mit 690 Gramm Inhalt. Und so weiter. Wo findet hier der Preisvergleich statt? Zumindest grobe Ungenauigkeiten dürften durch die Verordnung aus Bonn beseitigt werden, dieser Meinung ist auch der Leiter des Nürnberger Eichamts, Kurt Hocke. Durch die Hintertür der angegebenen Standardreihe, so meint er, wird so mancher Produzent zu genormten Gewichten finden, um der Mehrbelastung der Grundpreisauszeichnung zu entgehen.

Vor allem flüssige Produkte fallen unter die strengeren Vorschriften des neuen Gesetzes. Wein, Bier, Spirituosen, Essig, Öl, Milch. Mineralwasser und Säfte müssen nach den verbindlichen Werten, die sich an Flaschenmaßen orientieren, ausgezeichnet werden. Wer trotzdem noch „Behältnisse“ (so der amtliche Ausdruck) mit „krummen“ Maßen produziert, ist jetzt verpflichtet, gleichzeitig den Grundpreis anzugeben. „Bisher haben wir gegen Windmühlen gekämpft“, sagt dazu der Leiter des Nürnberger Eichamtes, Kurt Hocke. Der aus der Schule plaudert, wenn er vermerkt, daß jene berühmte 1/1-Menge endlich auch nicht mehr als Kennzeichnung des Inhalts zulässig ist. „Da sind sowieso meist nur 850 Milliliter drin. Diese Angabe wäre korrekt.“ Nicht ganz so einfach ist das neue Verfahren bei Volumenangaben. Darunter fällt zum Beispiel jedes Waschpulverprodukt. Hier gibt es nur unverbindliche Werte, weil man glaubt, die Standardisierung der Packungen sei hier am weitesten fortgeschritten. Das heißt: „Gerade“ Gewichte von 50 und 100 Gramm aufwärts, die bei diesen Produkten schon weitgehend verwendet werden. Damit die Vorschriften auch tatsächlich eingehalten werden, bekommt das Nürnberger Eichamt mehr Bewegungsfreiheit. Bis spätestens Mai, so hofft Kurt Hocke, wird ein fahrbares Laboratorium im Einsatz sein. Um Fertigpackungen beim Hersteller oder Porteur besser in der Produktion überwachen zu können.

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