1953: "Fangprämie" für echte Sammler

15.6.2013, 17:11 Uhr
1953:

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„Kampfzone“ waren die 600 Hektar Kartoffeläcker im Nürnberger Stadtgebiet. Marktamtsleiter Karl Bartel und sein Sachbearbeiter für Kartoffelkäferbekämpfung, Ludwig Bähr, rechneten mit einem starken Auftreten des Käfers.

„Im leichten porösen Nürnberger Sandboden fühlt er sich besonders wohl.“ Das Abklauben der Tiere, die die Stauden kahl fressen, war also zwingend, das Herbeischaffen von genügend fleißigen Sammlern schwierig. Regelmäßig erklang der Ruf nach dem Einsatz von Schulkindern.

Nicht nur in der Nachkriegszeit wurden sie zu dieser anderen Art des „Lesens“ geschickt — mit einer alten Heringsbüchse zum Sammeln. Die Kinder der Bauern verbrachten manchmal ganze Ferien auf dem Acker beim Käferklauben.

„Die berühmte Knolle, die ursprünglich in Südamerika beheimatet war, soll in Deutschland erstmals im Jahr 1647 in Pilgramsreuth (Oberfranken) angebaut worden sein“, schreiben die Nürnberger Nachrichten. Der lange Marsch des Kartoffelkäfers begann im Südwesten der USA, 1877 wurde er erstmals in Europa nachgewiesen.

In den 1920er Jahren fraß sich der Käfer auch durch süddeutsche Äcker. Später wurde behauptet, die Franzosen hätten den Kartoffelkäfer mit Flugzeugen auf deutschem Gebiet abgeworfen. In einem Kompendium von Experten aus Triesdorf, vorgestellt in den Nürnberger Nachrichten im Juni 2000, geht die „Kriegsgeschichte“ so weiter:

„Auf Vorschlag der Biologischen Reichsanstalt wurde 1935 der ,Kartoffelkäfer-Abwehrdienst (KAD)‘ der deutschen Wehrmacht eingerichtet. Im Krieg wurde der KAD vom ,Reichsnährstand‘ geleitet. Er war die Keimzelle für den nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten staatlichen Pflanzenschutzdienst. Wer auf einem bisher als nicht befallen geltenden Feld den ersten Käfer oder die erste Larve fand, erhielt eine ,Fangprämie‘ von 20 Reichsmark und die ,Kartoffelkäfer-Ehrennadel‘. (...) Mit der Parole: ,Sei ein Kämpfer, sei kein Schläfer, acht’ auf den Kartoffelkäfer!‘, war jeder zu seiner Bekämpfung aufgerufen.“

Im Zweiten Weltkrieg hieß es dann, die Amerikaner hätten den Käfer zur biologischen Kriegsführung über Deutschland abgeworfen. Als 1950 auf den Feldern in der DDR der Käfer Totalausfälle verursachte, wurde der „Ami-Käfer“ erneut zum Sündenbock gemacht — diesmal propagiert von den SED-Zeitungen.

Ein Schimpfwort

Der „Zehnstreifen-Leichtfuß“ (lateinisch: Leptinotarsa decemlineata) wurde auch als Schimpfwort benutzt. Zunächst von den Franzosen, die die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg als „Kartoffelkäfer“ bezeichneten. Auch deutsche Heimatvertriebene wurden von Einheimischen so beschimpft. In der Fußballberichterstattung meint das Wort dagegen die Mannschaften „Alemannia Aachen“ oder den „TSV Wolkersdorf“ wegen ihrer schwarz-gelb gestreiften Trikots.

Vor 60 Jahren bekamen die Nürnberger keine Staatshilfe mehr bei der Schädlingsbekämpfung. „Kartoffelkäfer — im Keim zerstört“, titelten die Nürnberger Nachrichten. Zudem war strittig, wie weit die Aufgabe der Kommune reichen sollte: Hatten nicht Bauern und Gärtner selbst für eine „kartoffelkäferfreie Zone“ zu sorgen?

Der „Krieg“ ist bis heute nicht gewonnen. Dem Kartoffelkäfer fehlen die natürlichen Feinde. Immer noch wird nach einer Methode der Bekämpfung gesucht — ein flächendeckender Einsatz einer Art Staubsauger brachte nicht den erwünschten Erfolg.

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