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21. Juni 1971: Der Sieg fiel zu hoch aus

21.6.2021, 07:00 Uhr
21. Juni 1971: Der Sieg fiel zu hoch aus

© Contino

Beide Mannschaften waren gut auf das Treffen im Stadion eingestellt. Nach fünf Minuten Warmlaufen meinte der linke Läufer Walter Schatz optimistisch: „Die Zigaretten steh'n mir bis zum Hals.“ SPD-Stadtrat Willy Pröiß laborierte an einer Schienbeinverletzung, die er sich vermutlich in der Stadtratssitzung beim Gerangel um das Stadiondach zugezogen hatte.

Es war bestechend schöner Fußball, den die 500 Zuschauer im Stadion (einschließlich Spieler und Straßenbahn-Kapelle) zu sehen bekamen. Bestechend vor allem, weil CSU-Stadtrat Wartha schon vor dem Anstoß in der Kabine eine Tausend-Mark-Blüte schwenkte und rief: „Die haben sie gerade unserem Torsteher zustecken wollen.“

Vor dem schweren Kampf trippelte Stürmer Angermüller von der Fränkischen Tagespost nervös auf dem Korridor. Die Stadträte hatten – taktisch sehr geschickt – verbreiten lassen: „Der Imhof (Verteidiger/CSU) bringt 91 Kilo auf die Waage.“ Als Angermüller dann aufs Spielfeld marschierte, dröhnte ihm noch der gutgemeinte Glückwunsch eines Kollegen im Ohr: „Gut Holz!“

Die Stadträte sahen zum Fürchten aus. Wie GIs kauten sie seelenruhig Kaugummi; mit brutaler Gelassenheit malten ihre Kiefer. Die Presse hatte sich darauf vorbereitet und lief mit Sturzhelmen und dick gepolsterten Schultern ins Stadion ein. Nach drei Minuten das erste Foul: unter der Presse-Mannchaft befand sich auch Sibylle Syben von der Nürnberger Zeitung. Sie trug jene jeden braven Manne die Sinne verwirrenden Hot Pants; und so etwas ist einfach unfair.

Das Spiel ging weiter. Karl-Heinz Schubert (Präsident der Buchnesia) sagte erschütltert: „Schaun Sie sich diese Mannschaften an: Jahrhunderte blicken einem entgegen. Just in diesem Augenblick setzte Wolfgang Hahl von der Abendzeitung quicklebendig wie ein Säugling zum Sturm an, trippelte, schwanzte, trickste und ... setzte den Ball ins rechte obere Eck des Stadtrats-Tores.

Oberbürgermeister Dr. Urschlechter hatte vor dem Spiel Stadtrat Schedl ins Gebet genommen: „Macht mir kei Schand!“ hatte er gesagt. Und nun – nach dem zweiten Tor der Presse in der zweiten Halbzeit – verhüllte der OB sein Gesicht voller Gram. Schlecht stand es um die Elf aus dem Wolffschen Bau. Da aber riß dem Unparteiischen, Max Morlock, die Geduld. Er ließ einen Hammer los und Fernseh-Torwart Winfried Böhme mußte hinter sich ins Netz greifen. Das Ehrentor. Nicht unverdient für den Stadtrat, der sich wie noch in keiner Plenarsitzung hatte schinden müssen.

Den Wanderpokal aber, den die Presse im vorigen Jahr an die Stadtväter verloren hatte, holte sie sich diesmal zurück. Das ist keine Zeitungsente.

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