21. November 1966: SPD bekam alle Direktmandate

21.11.2016, 07:40 Uhr
21. November 1966: SPD bekam alle Direktmandate

© Gerardi

Lieselotte Seibel, Alfred Sommer, Ferdinand Drexler, Walter Fischer und Bertold Kamm vertreten die Stadt in den nächsten vier Jahren im weiß-blauen Parlament. Erst heute wird sich herausstellen, welche Nürnberger die CSU über die Wahlkreisliste in den Landtag entsenden kann. Es steht jedoch zu erwarten, daß Staatssekretär Dr. Fritz Pirkl, Karl Schäfer und Alfred Euerl auf jeden Fall ihre Mandate behauptet haben.

Die größte und – für alle Parteien – zugleich unangenehmste Überraschung stellt das Abschneiden der Nationaldemokraten dar, die ihren Stimmenanteil gegenüber der Kommunalwahl im März um fast sechs auf 13,1 v. H. vergrößern konnten. Am härtesten ist davon die FDP betroffen, die keinen Abgeordneten mehr ins bayerische Parlament entsenden wird.

21. November 1966: SPD bekam alle Direktmandate

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Schon das erste Ergebnis, das um 18.15 Uhr telephonisch dem Wahlamt gemeldet und dort von Amtmann Christian Kaupert mit gewohnter Lautstärke an die Presse verkündet wurde, machte deutlich, daß die NPD diesmal stärker als zuvor die FDP bedroht. Mit jeder weiteren Meldung verschlechterte sich die Lage für die Freien Demokraten, die nur ganz selten in einem Wahllokal mehr Stimmen auf sich vereinen konnten, als ihre rechtsradikale Konkurrenz. Noch ehe kurz vor 22 Uhr bereits das Endergebnis für die Stadt Nürnberg ausgerufen wurde, gab es keinen Zweifel mehr, daß die Freien Demokraten der größte Verlierer dieser Wahl sein würden, obwohl auch die beiden großen Parteien, CSU (1,8 v. H.) und SPD (1,6 v. H.), Anteile eingebüßt hatten.

Damit sind den Nationaldemokraten zweifellos Einbrüche in den Wählerstamm aller Parteien gelungen, die sich örtlich nicht genau festlegen lassen. Dennoch muß es überraschen, daß sie in einem Stimmbezirk von Langwasser beinahe die Zahlen der CSU erreichte. Nur in den ausgesprochen bürgerlichen Gegenden wie Erlenstegen, Zabo oder Laufamholz konnten die Freien Demokraten gelegentlich mehr Stimmen erringen als die NPD. In diesen Gebieten erzielte auch die CSU ein starkes Übergewicht gegen die SPD, die wiederum von ihrer alten Anhängerschaft – wie beispielsweise in der Gartenstadt – nicht enttäuscht wurde.

Vor allem die sozialdemokratischen Anwärter auf ein Direktmandat ließen von allem Anfang an keinen Zweifel über ihre Siege aufkommen. Den größten Vorsprung sicherte sich ihr 54jähriger Abgeordneter Ferdinand Drexler in Nürnberg-Süd: er ging mit 11.000 Stimmen mehr als sein CSU-Konkurrent Dr. Friedrich Renner durchs Ziel. Der 34jährige Lehrerin Lieselotte Seibel gelang es in Nürnberg-Mitte, über 7000 Stimmen mehr auf sich zu vereinen als Staatssekretär Dr. Fritz Pirkl. Am knappsten ging es, wenn man so sagen will noch zwischen Stadtrat Alfred Sommer und CSU-MdL Karl Schäfer in Nürnberg-Nord her, doch behielt auch dort der SPD-Mann mit einem Plus von fast 5000 Stimmen die Oberhand.

CSU und SPD zeigen sich beide zufrieden über das Wahlergebnis, denn sie konnten bei der hohen Wahlbeteiligung von 81,1 v. H. beide Stimmen gewinnen. Zusammen mit der FDP äußern sie jedoch ihre große Besorgnis über den neuerlichen Zuwachs der Nationaldemokraten, die gestern abend bereits ihr Siegesgeheul anstimmten.

„Die Nürnberger Bevölkerung hat sich wieder mit übergroßer Mehrheit zur SPD bekannt“, heißt es in einer Verlautbarung des sozialdemokratischen Unterbezirks zum Wahlergebnis, in der für das Vertrauen gedankt wird. „Ich bin sehr zufrieden, denn Mittelfranken war ein von allen Parteien hart umkämpftes Gebiet“, erklärte CSU-Bezirksvorsitzender Karl Schäfer, denn im Lande seien wieder klare Mehrheitsverhältnisse geschaffen worden, die eine Regierungsbildung wesentlich erleichtern. „Wir nehmen zur Kenntnis, daß die CSU mit dem Wahlkampf, der in erster Linie gegen die FDP gerichtet war, den von ihr gewünschten Erfolg errungen hat“, meinte FDP-Kreisvorsitzender Erich Freiherr von Loeffelholz. Höchst zufrieden zeigt sich NPD-Kreisvorsitzender Dr. Werner Wittich, der eine konstruktive Opposition seiner Partei im Landtag ankündigt.

Hingegen sind alle anderen Parteien von den NPD-Gewinnen wenig erbaut. „Über ihr Abschneiden bin ich mehr als erschrocken“, sagt Karl Schäfer und fordert alle demokratischen Parteien auf, die NPD nicht noch größer werden zu lassen. Auch die SPD drückt ihr Bedauern über den Stimmenzuwachs der Nationaldemokraten aus und bezeichnet es als unverständlich, daß 20 Jahre nach dem totalen Zusammenbruch und der Zerstörung der Stadt rechtsradikale Kreise im Parlament wieder salonfähig werden. Die FDP erblickt in den Nationaldemokraten ebenfalls jene Kräfte, „die schon einmal einen demokratischen Staat vernichtet haben“.

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