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21. September 1971: Bürger fragen: Ist dem Club noch zu helfen?

21.9.2021, 07:00 Uhr
21. September 1971: Bürger fragen: Ist dem Club noch zu helfen?

© Meyer/Ulrich

Auch der Fußball-Laie hängt mit drin, ebenso wie der Theaterbanause mitzahlen muß, wenn die Stadt täglich 40 000 Mark als Zuschuß für ihr Theater aufbringen muß.

Denn die Stadt Nürnberg hat sich dafür verbürgt, für die Finanzierung von etwa 3 Millionen Mark geradezustehen, die dem Club beim Ausbau seiner Anlagen am Valznerweiher nicht bar zur Verfügung standen. Der 1. FCN versprach, diese Summe abzuzahlen, sobald es ihm seine Finanzen erlauben. Aber angesichts des mäßigen sportlichen Erfolgs wird es wohl noch lange dauern, bis eine Rückzahlung zur Diskussion steht. Derzeit machen Schulden- und Tilgungszins pro Jahr 700.000 Mark aus.

Der Club hat mit einer Durchschnittszahl von 15.000 Besuchern pro Spiel gerechnet. Schon jetzt steht fest, daß sich diese Ziffer nicht erreichen läßt. Wenn die Erfolge auf dem Spielfeld auf sich warten lassen, ziehen die Zuschauer nicht mit. Der ewige Appell an die Treue der Anhänger nützt da gar nichts.

Vom 1. FCN haben noch vor zwei Jahren viele Menschen ein ganz erträgliches Einkommen gehabt: Verkäufer von Bier, Sardinenbrötchen, Würstchen, Brötchen, Brezen und Zeitungen, ein umfangreiches Parkplatzgewerbe, die Kartenvorverkäufer legaler und illegaler Art, die Polizeibeamten, die Überstunden bezahlt bekamen und nach dem Spiel sogar noch die Stadionreiniger.

Am stärksten aber bluten die Steuerzahler, vor allem jene, die am Wochenende nicht zu den Clubspielen pilgern. Die Stadt nimmt, obwohl sie beim ersten Stadionausbau 8,7 Millionen Mark investiert hat, nur noch einen Bruchteil der geschätzten Steuerbeträge ein. Schon jetzt, im Spätsommer, zeigte sich diese Entwicklung.

Jetzt kommt die kalte Jahreszeit, in der nur noch die fanatischen Anhänger kommen werden. Aber die Zeit läßt sich voraussehen, in der bei kalten, regnerischen Novembertagen 5000 Zuschauer das Rund des 60.000-Mann-Stadions füllen werden. Das ist kein Pessimismus: das ist die Realität.

Tief deprimiert

Die Verantwortlichen wissen wenig zu sagen. Vereinspräsident Luther wird, wie er schon vor einem Jahr angekündigt hat, ohnedies seinen Vorsitz niederlegen. Der Chef der Vertragsspieler, Franz Schäfer, der die „Bundesliga mit der Brechstange zurückerobern“ wollte, ist tief deprimiert. Er denkt an das Jahr nach der letzten Deutschen Meisterschaft des Clubs zurück. Da habe es immer wieder geheißen: „Ach, der Club bleibt nicht lange am Tabellenende. Der schafft's schon noch.“ Und dann sei er doch abgestiegen.

Schäfer also bangt. „Das Schlimme ist, daß die Spieler, wenn der Karren bergab läuft, sich sehr schnell nach anderen Mannschaften umsehen. Die berühmten elf Freunde halten nur zusammen, wenn sie erfolgreich sind.“

Von Trainer Fritz Langner weiß man derzeit nicht, wie lange er noch beim Club bleiben wird. Die Aufgabe, die er ursprünglich mit großem Elan angepackt hatte, wächst ihm sichtlich über den Kopf.

Öffentlich subventioniert

Was ist los beim Club? Über die sportlichen Aspekte wird genügend geschrieben: zwischen den jungen und den alten Spielern, Bezahlung nach unterschiedlichen Gesichtspunkten, mangelnder Ehrgeiz auf dem Spielfeld – Dinge also, die vor allem den Fußballkommerz betreffen.

Den Normalbürger geht in erster Linie die Tatsache an, daß dieses Unternehmen – „Erster Fußballclub Nürnberg“, – in die roten Zahlen geraten ist, daß dieses Unternehmen von der Stadt Nürnberg öffentlich subventioniert wird, daß dieses Unternehmen aus eigener Kraft nicht imstande sei, sich selbst aus seiner betrüblichen Lage wieder zu erheben. Der 1. FCN war jahrzehntelang – über alle Ideologien hinweg – ein zu guter Markenartikel unserer Stadt, als daß wir ihn so unbesehen auf den Müllhaufen werfen sollten.

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