22-jähriger Nürnberger gesteht Tötung zweier Prostituierter

22.5.2018, 18:01 Uhr
Der mutmaßliche Mörder soll sich als Freier ausgegeben haben.

© Eduard Weigert Der mutmaßliche Mörder soll sich als Freier ausgegeben haben.

Wie die Polizei in schwierigen Fällen aus Verdächtigen Geständnisse herausholt? Dies ist im Landgericht Nürnberg-Fürth derzeit hautnah zu sehen: Im historischen Schwurgerichtssaal 600 hängt eine Leinwand, zu Beginn der Beweisaufnahme werden die Vernehmungen des Felix R. vorgeführt. Sechs Stunden wurde er am 9. und am 10. Juni 2017 verhört – am Ende knickte er ein, auch weil ihn die Ermittler damit konfrontierten, dass seine DNA-Spuren an den Tatorten und den Opfern gefunden wurden.

Geredet wie ein Wasserfall

Wer Felix R. in diesem Video sprechen hört, sieht einen jungen Mann, der – offenkundig von sich selbst sehr überzeugt – glaubt, kaltblütig jeder Falle ausweichen zu können, die ihm die beiden Ermittler stellen. Er wird auf sein Recht, sich einen Anwalt zu nehmen, aufmerksam gemacht – vermutlich im Glauben, sich durch Kooperation besonders unverdächtig zu machen, bittet er jedoch nicht darum. Die Kripo-Beamten dürfte dies (heimlich, ihren Mienen ist im Video nichts anzusehen) gefreut haben, sprudelt Felix R. doch nahtlos weiter wie ein Wasserfall.

Es ist eine dünne Linie, auf der die Beamten hier balancieren, hat der Beschuldigte doch das Recht auf einen Anwalt. Doch ihre kriminalistische List geht auf: Ein Jahr nach dem Verhör, zu Prozessbeginn, widerspricht Manfred Neder, der Rechtsanwalt des Angeklagten Felix R., zwar der Verwertung der damaligen Aussagen, jedoch vergeblich.

Töten, um den Geschlechtstrieb zu befriedigen

Seit 10. Juni 2017 sitzt Felix R. in U-Haft, heute sieht man ihm an, dass er inzwischen etwas begriffen hat: Er hat die Ermittler und deren so harmlos wirkende Fragen unterschätzt. Felix R., der erst im März 22 Jahre wurde, ist bleich, im Gerichtssaal sagt er kein Wort, das Video seiner eigenen Vernehmung verfolgt er regungslos, er weiß, was er zu erwarten hat. Für Mord sieht das Strafgesetzbuch nur eine Strafe vor: lebenslang. In Bayern bedeutet dies fast 22 Jahre hinter Gittern, wird die besondere Schwere der Schuld festgestellt, sind es 23 bis 25 Jahre.

Laut Anklage erdrosselte er am 24. Mai die Rumänin Yenna (22) in ihrer Modellwohnung in der Regensburger Straße und zündete ihr Bett an, um die Spuren zu verwischen. Knapp zwei Wochen später musste die Chinesin Miyoko (44) am 5. Juni in der Höfener Straße auf die gleiche Art sterben. R. wollte die Frauen während des Geschlechtsaktes erdrosseln, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Weyde; R. habe getötet, um seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen.

Geld im Rotlichtmilieu verprasst

Was man mit dem Täter, der die Huren umbrachte, denn machen sollte, fragen die Ermittler im Video – "genau das Gleiche", urteilt R. und gleich schildert er, der keinerlei Einfühlungsvermögen im Gespräch mit den Polizisten zeigt, dass er selbst nicht einmal ein Praktikum in einer Metzgerei habe ertragen können. In dieser Zeit schmiss er seine Koch-Lehre, ein Streit mit den Eltern folgte. Er wurde obdachlos, seine Hartz-IV-Leistungen verprasste er bei Huren.

Mittlerweile war er mit dem Vater im Kino und er habe Pfingsten 2017 seinen Opa besucht – R. schildert all dies im Video, als wäre die Vernehmung der einzige Bremsklotz zurück auf den rechten Weg, als gehöre sein Absturz zu den üblichen Biographien von Jugendlichen. Er nennt viele Adressen von Prostituierten, plaudert, lacht über seine Witze und wirkt, als wäre er der Erste, der die Polizei in die Geheimnisse des Rotlichtmilieus einweiht.

Beinahe väterlich nicken ihm die Ermittler zu, bringen ihn gar dazu, zu erläutern, wie er die Morde denn begehen würde, wäre er der Täter: R. ("Ich verstehe ja, dass ich verdächtig wirke") redet sich um Kopf und Kragen. Die Polizisten hören zu, klopfen jedes Detail nach Widersprüchen ab, fragen immer wieder nach. Und während Felix R. sie für begriffsstutzig gehalten haben muss, drehten sie in aller Stille am Strick. Der Prozess wird heute ab 9 Uhr mit weiteren Videoaufnahmen und Zeugen fortgesetzt.  Derzeit kalkuliert die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit 15 Terminen. Bleibt es bei diesem Zeitplan, könnte am 25. Juni ein Urteil gesprochen werden

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