22. Januar 1971: Hochbetrieb in den Reisebüros

22.1.2021, 07:16 Uhr
22. Januar 1971: Hochbetrieb in den Reisebüros

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Mitten im Winter hat in den Nürnberger Reisebüros der Sommer begonnen. Zentner- und tonnenweise liegen die neuen Prospekte jetzt auf – und an den Schaltern drängen sich die Kunden. Gewitzigt durch die Erfahrung, daß sie bisher gegenüber den Norddeutschen immer zu spät gekommen waren, wollen sie heuer offenbar rechtzeitig dabei sein.

Und wie sie dabei sind: telefonische Buchungen oder Rückfragen bei den Veranstaltern sind schier unmöglich, weil die Verbindungen nicht mehr klappen. Und überlastet wie die Fernsprechleitungen sind auch die Gesellschaften, die mit den vielen Buchungen gar nicht mehr nachkommen.

Aber auch der urlaubshungrige Normalverbraucher hat es schwer. Schwerer denn je. Denn die Werbeschlacht der Fabriken für den Urlaub von der Stange und für die Fix-und-fertig-Erholung auch für Individualisten wird heuer aufwendig wie nie geführt.

Wer sie führt, wird immer weniger durchschaubar. Man verbündet sich kreuz und quer, kooperiert und bildet Ketten, so daß selbst ausgefuchste Fachleute nicht mehr auf Anhieb wissen, wie viele Reisegesellschaften eigentlich nebeneinander, miteinander und gegeneinander arbeiten. Und so gibt es auch kein Reisebüro, das alle auf dem Markt befindlichen Angebote präsentieren könnte. Wer sich einen Gesamtüberblick verschaffen will, muß etwa einen halben Zentner Prospekte zusammentragen.

Das macht die Auswahl nicht leichter, zumal der Vergleich schwerfällt. Die Preistabellen sind nach wie vor höchst unterschiedlich gestaltet. Und hier wirkt sich der heftige Konkurrenzkampf für den Verbraucher eher nachteilig aus: es wird immer häufiger mit Eckpreisen operiert. Bei näherem Studium des Angebots und der schwer verständlichen diversen Zuschläge müssen solche Lockvögel beträchtliche Federn lassen.

Doch aufs Geld kommt es offenbar nicht mehr so sehr an. Wählten die Nürnberger vor wenigen Jahren noch sehr kritisch und beschieden sich lieber mit einfacherer Unterbringung, so zaudern sie jetzt nicht mehr, wenn für den Urlaub etliche Märker mehr als geplant zu berappen sind: Erholung muß sein, also was soll‘s.

Königspaar empfängt Touristen

Natürlich kann sich nicht jeder eine zweiwöchige Hochzeitsreise nach Miami für 7.500 DM zusammenstellen lassen (ein Nürnberger Paar verbringt ab nächster Woche dort seine Flitterwochen). Und die Galakreuzfahrt nach Brasilien und zurück über Südafrika bleibt für die meisten ein Traum. Immerhin aber wurden die dafür erforderlichen 12.000 DM von einigen Nürnbergern auf die Theken der Reisebüros geblättert.

Wollen Sie vom Königspaar in Sikkim empfangen werden? Oder ein Gespräch mit dem Rumtek Lama führen? Irgendeiner der Urlaubsfabrikanten macht‘s möglich. Andere werben für eine Kreuzfahrt mit dem „großen weißen Riesen des Mittelmeers“ und allenthalben wird mit dem „riesengroßen Flugerlebnis“ im Jumbo-Jet gelockt. Aber auch die Transsibirische Eisenbahn verfehlt ihre Wirkung nicht: für weniger als 2.000 DM führt eine zwölftägige Reise über Moskau und Taschkent nach Yokohama.

Die Mehrzahl der Urlauber aber fliegt lieber weiter auf ihrer Hausstrecke: nach Mallorca, Gran Canaria, Jugoslawien, Spanien und an die Schwarzmeerküste.

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