23. Mai 1970: Riesen-Baby im Tiergarten

23.5.2020, 07:00 Uhr
23. Mai 1970: Riesen-Baby im Tiergarten

© Fischer

Zwei freudige Ereignisse ragen besonders heraus. Nach Gitte (Pfingsten 1988) ist nun auch die Giraffenkuh Gabi Mutter geworden. Da durfte die Seelöwin Bibi natürlich nicht zurückstehen. Auch sie setzte ein Junges. Tierpfleger Wolfgang Schirmer und seine Vertreter Johann Meyer und Rolf Zeltner hatten seit Anfang Mai mit zunehmender Ungeduld auf die Niederkunft von Gabi gewartet. Am Mittwochvormittag war es dann soweit: ohne große Komplikationen gebar sie in nur zwei Stunden – bei Giraffen dauert es sonst meist vier bis fünf Stunden – ein kräftiges weibliches Kalb. Nach genau einer Stunde stand das Junge erstmals auf eigenen, noch wackeligen Beinen; weitere 20 Minuten später hatte es – nach einigen Irrtümern – die Milchquelle gefunden.

Lustiges Haarbüschel

Bürgermeister Franz Haas, der kommissarische Tiergartenleiter Dr. Manfred Kraus, Zoofreunde und Presseleute wußten gestern nicht, was sie an dem Baby mehr bestaunen sollten: seine stattliche Größe von 1,70 Meter, den lustigen Haarbüschel auf dem Kopf oder die Anhänglichkeit an die Mutter. Und Gabi ist eine treusorgende Mama, die nicht müde wird. ihr Baby immer wieder abzulecken. Die ersten Aufregungen hat das Kleine schon hinter sich. Es mußte kurzfristig von der Mutter getrennt werden, um die notwendigen Schutzimpfungen zu erhalten. Anschließend fiel es in tiefen Schlaf. Noch hat das Giraffenbaby keinen Namen. Er soll nur zwei Silben haben, wie Dr. Kraus betonte. Er denkt dabei an Robi (Abkürzung von Nairobi), Keni (Mutter Gabi ist in Kenia zur Welt gekommen) oder Franka (eine Verbeugung vor dem Frankenland).

Die Seelöwin Bibi, die im Sommer 1967 als 30 Kilogramm schwerer Jährling importiert worden war, bewahrte ihr süßes Geheimnis bis kurz vor der Geburt. Der Grund ist mit darin zu suchen, daß man dem Bullen im Seelöwengehege nicht mehr zugetraut hatte, daß er noch einmal auf Freiersfüßen wandeln könnte. Er tat‘s trotzdem. Für Bibi konnte gerade noch rechtzeitig das Kindbett in der Pinguinanlage gerichtet werden. Da kleine Seelöwen noch nicht schwimmen können, wäre das 13 Pfund schwere Junge – das erste seit drei Jahren am Schmausenbuck – im Bassin unweigerlich ertrunken. Bibi ist eine fürsorgliche Mutter. Sie trägt ihren Nachwuchs durch die Anlage und paßt auf, daß er nicht von der Felsenbank stürzt. Pinguine und Möwen halten gebührenden Abstand zu dem Mutter-Kind-Idyll. Das ist gut so, denn selbst der Wärter wird mit blitzenden Augen angefunkelt, wenn er dem Baby zu nahe kommt. Ein Jahr lang muß die junge Robbe weiblichen Geschlechts mit einer sehr fettreichen Milch ernährt werden, ehe sie die eigentlichen Leckerbissen für Seelöwen erhält: frische Fische.

Die Rentiere haben wieder einmal die Setzzeit bei den Hirschen eingeleitet. Gleich zwei männliche Kälber sind in dieser Woche angekommen. In Mitteleuropa gibt es nur wenige Zoos, in denen sich Rentiere regelmäßig so erfolgreich fortpflanzen wie am Schmausenbuck. Schließlich melden auch die Alpensteinböcke – der Gesamtbestand beträgt inzwischen 15 Tiere – das erste Kitz in diesem Jahr. Da sich auf der stark gegliederten Naturfelsanlage günstige Beobachtungsmöglichkeiten bieten, wird das Alpensteinbockrudel zur Zeit eingehend von einem Mitarbeiter des Zoologischen Instituts der Universität Erlangen-Nürnberg untersucht.