23. März 1970: Mit Sex und Western klingelt's in der Kasse

23.3.2020, 07:32 Uhr
Der reine Sexfilm, zumal der, der in seinem Titel schon das Prädikat "Porno" führt, macht sich noch recht gut. Interessanterweise werden diese Filme weniger von jungen Menschen besucht.

Der reine Sexfilm, zumal der, der in seinem Titel schon das Prädikat "Porno" führt, macht sich noch recht gut. Interessanterweise werden diese Filme weniger von jungen Menschen besucht.

"Man geht wieder ins Kino", heißt die Devise zwischen "Jugendfrei" und beinahe schon für Erwachsene verboten. Eine neue Art von Western, Agentenfilme der Spitzenklasse mit viel Aktion und natürlich der Sex bitten die Besucher scharenweise zur Kasse. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern und die Fans der alten Schule weinen: der Western hat sich gewandelt. Er ist härter geworden, brutaler, noch weniger historisch und Papas Western geht dem sicheren Ende entgegen. Was nicht heißen soll, daß er nicht eines Tages wieder aufersteht.

Man nennt die neue Art von Film Italo-Western, einer seiner Top-Stars heißt Guiliano Gemma und es drängt die Jugend zwischen 16 und 29 vor die Leinwand. Die älteren Herrschaften über 30 sind vom Italo-Western weniger begeistert. Von den Jungen aber hat man den Eindruck, daß sie sich von dem mexikanischen Revolutionsmilieu beeindrucken lassen, in dem diese Filme meistens spielen.

Vater identifizierte sich noch mit dem edlen Gary Cooper. Der Sohn hat andere Vorstellungen von dem, was er gerne sein möchte. Vater liebte den einsamen Reiter James Stewart, der mit List und schnellem Revolver die Viehdiebe und Zugräuber zur Strecke brachte. Beim Sohn braucht der "Star" keinen Namen zu haben. Hauptsache ist der Gag – beispielsweise das Maschinengewehr im Sarg, mit dem der Eingekreiste am Ende seine Verfolger niedermäht. Vater liebte seine Western-Filmmusik mit der sentimental-heldischen Grundmelodie.

Der Sohn mag die harten Rhythmen, von elektronischen Klängen durchsetzt. Der Vater wußte, wie der "Held", der "Spieler", der "Bandit", der "Cowboy" gekleidet sein müssen, um stilecht zu sein. Dem Sohn ist das egal. Meistens sind seine Filmakteure genauso angezogen wie er selber. Die Altersschwelle ist bei etwa 30 Jahren. Bald aber wird es den guten alten Western nicht mehr geben. Die alten Stars sind gestorben oder werden allgemach zu alt und Hollywood schlechthin will sich auf den Italo-Stil umstellen. Agenten- und Kriminalfilme ziehen bei den Nürnbergern nur, wenn sie besser sind als das, was das Fernsehen im allgemeinen zu bieten hat.

Agentenfilme müssen zumindest auf James-Bond-Niveau sein, Krimis bedürfen eines Jean Gabin als Star und die Story sollte möglichst von Hitchcock sein. Der Kinokasse liebstes Zugpferd aber ist der Sexfilm. Dabei ist der schöne nackte Körper allein schon längst nicht mehr gefragt. Man will auch sehen, was man damit alles anfangen kann. Die Handlung ist unwichtig. Hauptsache ist, Voyeure beiderlei Geschlechts – es gibt nicht wenige davon – kommen auf ihre Rechnung. Der Aufklärungsfilm, oder was sich alles dafür ausgibt, ist gerade dabei, sich totzulaufen.

Der reine Sexfilm, zumal der, der in seinem Titel schon das Prädikat "Porno" führt, macht sich noch recht gut. Interessanterweise werden diese Filme weniger von jungen Menschen besucht. Das Hauptkontingent stellen Paare im Alter zwischen 40 und 70 Jahren. Lustige Filme fast ohne Sex hingegen – Vorbild: "Zur Sache Schätzchen" – ziehen die Jugend an. Nun gibt es auch noch den Kriegsfilm. Er läuft in Nürnberg im allgemeinen schlecht – wenn nicht gerade Flugzeuge dabei sind. "Die Luftschlacht um England" war ein Fünf-Wochen-Erfolg. Hauptbesucher waren wieder die 16- bis 29jährigen, die in so einem Film ohne politische Ressentiments das reine Abenteuer sehen.

Sie regen sich, im Gegensatz zu vielen Älteren, auch nicht darüber auf, wenn einmal eine Schulterklappe falsch ist. Viele Nürnberger Kinos bemühen sich ernsthaft um den Nachwuchs. Sie geben Jugendvorstellungen für die Jüngsten mit Walt Disney, Winnetou und Märchen und versuchen damit, den Vorzehnjährigen beizubringen, daß es etwas anderes ist, ins Kino zu gehen, als daheim den Fernseh-Knopf zu betätigen.

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