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24. September 1971: Wie die Stadt für das Jahr 2000 vorsorgt

24.9.2021, 07:00 Uhr
24. September 1971: Wie die Stadt für das Jahr 2000 vorsorgt

© NN

Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni eröffnete im Rathaussaal die Informationsreihe mit einem Vortrag „Was will der Nürnberg-Plan?“ In den kommenden Wochen werden auch Baureferent Otto-Peter Görl, Stadtkämmerer Dr. Hans-Georg Schmitz und der Leiter des Kommunalwissenschaftlichen Dokumentationszentrums in Wien, Dr. Egon Matzner, öffentliche Vorträge halten.

Dr. Doni gab die ersten Ergebnisse einer Repräsentativ-Umfrage unter der Nürnberger Bevölkerung bekannt, mit der die Stadt für ihren Nürnberg-Plan Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung kennenlernen möchte. Einige der bemerkenswertesten Resultate:

1. Fast die Hälfte aller Nürnberger möchte in einem Reihenhaus wohnen. In den letzten 10 Jahren sind aber nur 15 Prozent aller Wohnungen in Form eines Reihenhauses gebaut worden.

24. September 1971: Wie die Stadt für das Jahr 2000 vorsorgt

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2. Ein besonderes Problem für die Stadt sind die Wegzüge ihrer Bürger, die ins grüne Umland streben. Als Ursache dafür ist vor allem das Streben nach dem Eigenheim zu nennen. Als Grund für die Aufgabe der bisherigen Wohnung nannten die Nürnberger zu 60 Prozent zu geringe Wohnungsgröße, zu 40 Prozent die schlechte Wohnungsausstattung (besonders die fehlende Zentralheizung) und – was der Stadt zu denken geben muß – zu 20 Prozent Lärm und Gestank; nur 10 Prozent hingegen war ihre frühere Wohnung zu teuer.

3. Da Freizeiteinrichtungen besonders vermißt werden, forschte die Umfrage nach Gründen im Detail: 27 Prozent vermissen Grünflächen, 25 Prozent Bäder, 21 Prozent allgemein zugängliche Sportanlagen und 19 Prozent Freizeit- und Hobbyzentren.

4. Eine Überraschung ergab sich, als die Wünsche nach der Art und Größe der Grünflächen ermittelt wurden. 66 Prozent der Befragten sprachen sich für viele kleine, wohnungsnahe Grünanlagen aus, 16 Prozent für große Grünanlagen mit Freizeiteinrichtungen, aber nur 15 Prozent für Parks zum Spazierengehen. Vor dem Hintergrund dieses Zahlenmaterials erläuterte Doni die Zielsetzung des Nürnberg-Plans, an dem die Stadt seit Mai 1970 arbeitet, der mehr als alle Einzelpläne und auch die Bauplanung sein soll und das gesamte Handeln der Verwaltung umfassen muß.

Sein Ziel ist es, die Aufgaben der Stadtverwaltung als „Dienstleistungsunternehmen“ mit den knappen Finanzmitteln bestmöglich zu lesen, das Handeln auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Ziele der Stadtentwicklung auszurichten, die Planungen aufeinander abzustimmen und den veränderten Anforderungen und finanziellen Möglichkeiten anzupassen, insbesondere auch der Bevölkerung ein stärkeres Mitspracherecht an den Planungen einzuräumen.

Der Wirtschaftsreferent wies darauf hin, daß die Bürger einer Wohlstandsgesellschaft immer größere Forderungen an die Leistungen der Gemeinde stellen. Privater Wohlstand und öffentliche Armut stehen dabei in krassem Gegensatz.

Der Nürnberg-Plan jedoch öffnet für Verwaltung und den Stadtrat neue Wege. Bisherigen Schwächen der Verwaltungshierarchie und der isolierten Planung steht nun die Zusammenarbeit aller Ebenen und aller Fachbereiche der Verwaltung gegenüber. Der Stadtrat hat den Ausschuß für Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadterneuerung gebildet, dem der Einsatz der Arbeitsgruppe Nürnberg-Plan in der Verwaltung entspricht.

War die Planung bisher nach Zuständigkeitsbereichen (wie zum Beispiel Schulen im Kulturreferat und Kindergärten in Sozialreferat) gegliedert, so richtet sie sich künftig nach Bedürfnisbereiche, wie zum Beispiel „Bildung, die vom Kindergarten bis zur Hochschule reicht, aus.

Nürnberg-Plan heißt, alle Planungen in ein übergeordnetes Zielsystem einzuordnen. In einer zweiten Stute werden nach den vorausgeschätzten Bedürfnissen der Bevölkerung langfristige Investitionsprogramme entwickelt.

Der Wirtschaftsreferent räumte an dieser Stelle ein, daß die Verwaltung genaue Untersuchungen und auch einen Schuß Phantasie brauche, um sich heute schon vorstellen zu können, wie die Bürger morgen leben wollen. Aus dem langfristigen Investitionsplan werden jeweils die Projekte in einen fünfjährigen mittelfristigen Investitionsplan übernommen, die höchste Dringlichkeit besitzen und in diesem Zeitraum finanziert werden können.

Der Referent betonte, daß der Nürnberg-Plan längst nicht mehr nur ein Hirngespinst von Stadtrat und Stadtverwaltung ist. Gerade in den letzten Monaten ist er als wichtiges Instrumentarium eingesetzt worden, um beispielsweise dem Stadtrat und der Regierung von Mittelfranken Unterlagen zur Gebietsreform zu vermitteln. In anderen Fragen wie dem Ausbau von Hochschulen und der künftigen elektronischen Datenverarbeitung hat er sich als wirksames Mittel der Zusammenarbeit und Planung erwiesen.

Bei allem gab der Wirtschaftsreferent zu bedenken, daß niemand alle Wünsche zur gleichen Zeit erfüllen könne. Das gelte für den privaten Haushalt ebenso wie für eine Stadt. Jeder muß sich überlegen, was er dringend braucht und bezahlen kann. Das genau will der Nürnberg-Plan.

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