27. Februar 1970: Fernheizung der EWAG ist zu teuer

27.2.2020, 07:00 Uhr
27. Februar 1970: Fernheizung der EWAG ist zu teuer

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Schon im vorigen Jahr stiegen die Bürger auf die Barrikaden. Ein paar tatkräftige Langwasser-Bewohner schlossen sich zu einer Bürgerinitiative zusammen und riefen die politische Prominenz um Hilfe an. Bei Hans Hotz, Mitglied der Bürgerinitiative, stapeln sich Listen mit mehreren hundert Unter-schriften. Hotz: „Viele Langwasser-Bewohner stehen hinter uns.“

Sie bemängeln, daß alle Bürger ausnahmslos zur Abnahme der Wärme von der EWAG gezwungen sind. Sie empfinden die Preisberechnung „völlig undurchsichtig und unverständlich“. Die EWAG rechnet nach sieben verschiedenen Methoden ab. Ihr Vorstandsmitglied, Direktor Dr. Heinrich Novak, weist darauf hin, daß bei den Häusern in Langwasser die technische Durchführung des Wärmeschutzes höchst unterschiedlich ausgefallen ist.

Demnach zahlt, wenn ein Bauherr oder sein Architekt in der Frage der Wärmeisolierung zu sparsam ist, der Mieter die Zeche. Die Preisschwankungen in der Nachbarschaft K sind beträchtlich. Hier beläuft sich der günstigste Heizungspreis auf 4,85 DM (mit Mehrwertsteuer) pro Quadratmeter im Jahr, während beim ungünstigsten Preis 9,40 DM beechnet werden. Das ist fast der doppelte Betrag. Nach dieser Rechnung muß die eine Mietpartei in einer 88 Quadratmeter großen Wohnung 426,80 DM, eine andere hingegen 827,20 DM bezahlen.

Zum Vergleich aber auch Zahlen aus anderen Wohngebieten. Einer unserer Redakteure kommt in Maxfeld bei 93 Quadratmetern mit 350 DM pro Jahr für seine Ölzentralheizung aus. 600 DM jährlich wendet ein Hausbesitzer in Gsteinach für 130 Quadratmeter Wohnfläche in seinem völlig freistehenden Haus auf. Ein Ehepaar in Altenfurt: „Mit 380 DM heizen wir mühelos eine ganze Saison in unserem Reihenhaus.“

Direktor Novak hat Bedenken gegen solche Vergleiche. Wenn ein Haus eine eigene Zentralheizung in Betrieb habe, so seien die Anschaffungskosten etwa für den Heizungskessel in der Miete enthalten. Beim Anschluß an die Fernheizung würden diese Anschaffungskosten dagegen in den Heizungspreis eingerechnet.

„Die Leute sollen mit der Heizung sparen!“ – dieses Argument sticht in Langwasser nicht. Denn die Hälfte aller Häuser und Wohnblöcke haben nur einen Zähler, dessen angezeigter Verbrauch entsprechend der Wohnungsgrüßen der Mieter umgelegt wird, nicht also nach dem tatsächlichen Verbrauch der einzelnen Parteien.

Ein Beispiel: Herr X und Herr U haben eine gleichgroße Wohnung im selben Haus. X möchte sparen und schaltet die Heizung stundenweise ab. U. hat es gerne sehr warm und dreht die Heizung stets auf Hochtouren. Am Ende der Heizperiode zahlen Herr X und Herr U eine gleich hohe Rechnung.

Die ersten Neubauten in Langwasser wurden ausschließlich nach diesem Prinzip der Hausmessung beheizt. Etwa die Hälfte der zur Zeit 500 Wärmeabnehmer hat keine Einzelmessung, sondern muß die Heizungsrechnung hinnehmen, ohne den tatsächlichen eigenen Verbrauch zu kennen. Allerdings baut die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg GmbH alle neuen Häuser mit der Einzelmessung durch Verdunstungsmeßgeräte.

Hohe Heizungskosten passen schlecht zu Langwasser, der „Musterstadt“ des sozialen Wohnungsbaus. 83 Prozent aller Wohneinheiten sind voll sozial gefördert. In Langwasser liegt zudem das Durchschnittseinkommen um gut 100 Mark unter dem aller übrigen 16 Siedlungen Nürnbergs.

Sozialarbeiter Gert Mathiesen kennt Fälle, bei denen Einzelpersonen nach Abzug aller Heizungs- und Stromkosten für den Lebensunterhalt ganze 160 Mark bleiben. Oberamtmann Maria Zopf. Leiterin der Familienhilfe: „Immer wieder muß das Sozialamt einspringen, mal die Stromrechnung begleichen, mal die, Heizungskosten bezahlen.“

Keine Rücksicht auf Sozialfälle

Es ist kein Geheimnis: manchen Familien in Langwasser blieb bei der stets angespannten Hausltslage nichts anderes übrig, als aus dem Paradies der Sozialwohnungen wieder auszuziehen. Ein Bürger:„Hier ist ein Kommen und Gehen wie wohl nirgendwo sonst.“

Wirtschaftliche Schwierigkeiten dürfen freilich nicht ausschließlich den hohen Heiungskosten der EWAG angelastet werden. Langwasser ist eine kinderreiche Trabantenstadt; nicht überall können Vater und Mutter verdienen. Trotzdem treffen gerade die Heizungskosten manchen Haushalt besonders hart. Ist zum Beispiel die: monatliche Heizungspauschale von der EWAG zu niedrig angesetzt, kommt nicht selten eine Endabrechnung mit Schrecken.

Sozialarbeiter Ekehard Doll sieht darin ein ernstes Problem.: „Da werden Nachzahlungsforderungen bis Mark und mehr erhoben, zu zahlen innerhalb von zehn Tagen. Dann kommt die erste Mahnung und die zweite, und schließlich fürchten die Leute, daß man ihnen den Hahn zudreht“ Bisher hat die EWAG freilich in allen echten Härtefällen mit sich reden lassen.

Auf die vielen Beschwerden der Bürger hin erreichten Hans Hotz ganze drei Briefe. Oberbürgermeister Andreas Urschlechter versprach Überprüfung der Angelegenheit. Frau Minister Käte Strobel versicherte, Sache liege ihr sehr am Herzen. Und de FDP-Fraktion setzte sich für eine Behandlung der Frage im Stadtrat ein. „Es dünkt uns, dass es zur sozialen Pflicht gehört, zur entsprechenden Aufklärung. und womöglich Abhilfe beizutragen.“ Doch es kam nicht zu dieser Stadtratssitzung. Der CSU-Ortsverband hat die hohen Heizungskosten in Langwasser bei seiner letzten Versammlung erneut bemängelt.

Direktor Novak von der EWAG freilich sieht keine Möglichkeit, einzelnen Langwasser-Bürgern besonders entgegenzukommen: „Wir können nicht sagen, weil du arm bist, mußt du weniger zahlen!“ Sozialfälle können von der EWAG nicht berücksichtigt werden.

Eine gute Nachricht bleibt am Schluß zu melden. Die EWAG will den Wärmeverlust des Rohrleitungsnetzes (vom Heizkraftwerk bis zum Verbraucher) künftig nicht mehr auf die Abnehmer umlegen, sondern selbst tragen.

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