27. Januar 1970: Kauffreude ersetzte den Ansturm

27.1.2020, 07:25 Uhr
27. Januar 1970: Kauffreude ersetzte den Ansturm

© Ulrich

So begannen die zwölf tollen Tage nicht mit dem erhofften Sturm, sondern mit einem gezielten Anlauf. Die Ehemänner brauchten auf ihr Frühstück nicht zu verzichten – erst nach neun Uhr wurde es in der Innenstadt lebendig. Sonderangebote "Billiger geht‘s nicht", "Preissturz wie noch nie", "Kleine Preise werden groß geschrieben", "Ganz verschenken dürfen wir die Ware nicht" – der Appetit kam sozusagen beim Essen. Markenoberhemden für zehn Mark, Skipullover für 12 Mark, Kleiderstoffe gar für eine Mark – wer kann da schon widerstehen.

Der sportliche Kampf um die einmalige Gelegenheit war diesmal keine Hausfrauendisziplin des WSV. Das erbitterte Gefecht um einen Knüller gehört der Vergangenheit an. Doch ohne Wühltische macht der ganze Schlußverkauf keinen Spaß. An den Ständen nach Art des billigen Jakob jedenfalls durften die Hausfrauen noch nach Herzenslust "angeln" und "graben". Daß manch ein Pullover bald nicht mehr die Größe hielt, die er versprach, wurde spätestens bei der abendlichen Familien-Modenschau bemerkt. Doch, wie steht es da nüchtern geschrieben: "Vom Umtausch ausgeschlossen."

27. Januar 1970: Kauffreude ersetzte den Ansturm

© Ulrich

Wem der Spontankauf zu risikoreich schien, der probierte und probierte und fand dann nicht mehr den zweiten Schuh, das Oberteil des günstigen Hosenanzugs oder die Jacke vom Kostüm. So manch ein Hausfrauen-Agreement wurde da geschlossen, denn das Angebot scheint schier unerschöpflich.

Obwohl der illegale Schlußverkauf in vielen Geschälten bereits vor Wochen begonnen und auch der Winter seinen Einzugstermin sehr früh gesetzt hatte, hielten sich Angebot und Nachfrage die Waage. Käufer und Geschäftsleute waren gleichermaßen zufrieden – und von Kopf bis Fuß auf Kälte eingestellt. Nach ersten vorsichtigen Prognosen wird der Start als sehr zufriedenstellend bezeichnet. Einige Firmeninhaber konstatieren sogar erfreut "ein besseres Geschäft als im Vorjahr".

Am Wochenende erwarten sie noch einen stärkeren Ansturm, denn viele Käufer halten sich jetzt noch zurück, um sich gut gerüstet mit neuem Gehalt in das "Wunderland der kleinen Preise" zu stürzen.

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