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28. Juli 1971: Letzter Regen fiel vor einem Monat

28.7.2021, 07:00 Uhr
28. Juli 1971: Letzter Regen fiel vor einem Monat

© Ulrich

Die Mittagsglut in der Innenstadt wird schier unerträglich. Der Rasen der Anlagen ist von der Sonne versengt und täglich muß die Feuerwehr Flächenbrände löschen. Geregnet hat es schon lange nicht mehr. Noch am 24. und am 20. Juli hatte es zwar getröpfelt, doch konnten die Meteorologen am Flugplatz kein meßbares Ergebnis feststellen. Die letzten Niederschläge fielen am 28./29. Juni.

„An ähnlich heißen Tagen der letzten Jahre sind die Leute umgefallen wie die Fliegen“, sagen die BRK-Männer in der Zentrale an der Nunnenbeckstraße. Und sie sind erstaunt, daß es für sie im Augenblick so wenig Einsätze gibt.

28. Juli 1971: Letzter Regen fiel vor einem Monat

© Contino

Sie wundern sich zu Recht: gestern, am heißesten Tag des Jahres, stieg die Quecksilbersäule im Schatten immerhin auf exakt 34 Grad Celsius. Nur 1928 (die Statistik reicht bis ins Jahr 1879) wurde an diesem Tag mit 34,8 Grad eine höhere Temperatur gemessen. (Den absoluten Rekord in besagter Statistik hält der 29. Juli des Jahres 1947: damals wurden 38,2 Grad registriert.)

Die an dieser Rekordhitze noch fehlenden Grade konnten den Nürnbergern gestern kein Trost sein. Sie schwitzten. Wer nicht im Freibad Abkühlung suchte, mied die Sonne. So war die Innenstadt für Sommerschlußverkauf-Zeiten fast leergefegt. Und wer schon unterwegs war, hielt sich möglichst im Schatten der Häuserzeilen auf.

Jedermann stöhnte

Alles stöhnte unter der sengenden Hitze. Nur die Getränke-Industrie nicht. Die verkaufte. So stößt die Lederer-Brauerei jetzt pro Tag rund 1600 Hektoliter Bier aus. Mit dieser absoluten Tagesspitze liegt man um zehn Prozent über dem Ausstoß zur Vorjahreszeit und um 60 bis 70 Prozent über dem Verbrauch der Wintermonate.

Ganz deutlich sagt man es bei Coca-Cola: „Das Wetter kann von uns aus ruhig noch so bleiben.“ Verständlich: von diesem Getränk konnte in den letzten Tagen 25 Prozent mehr als gewöhnlich verkauft werden. Weniger Freude ob der Temperaturen herrscht bei der GEFA Nürnberger Likörfabrik: „Wer trinkt schon bei solcher Hitze Likör oder Schnaps?“

Ein Industriezweig, von dem es kaum jemand erwarten würde, profitiert von der Hitze nur wenig: die Speiseeis-Industrie. „Den Temperaturen nach müßte mehr Eis gegessen werden als im Mai. Dem ist aber nicht so: sobald im Frühjahr frische Früchte auf den Markt kommen, läßt unser Geschäft nach.“

Hochbetrieb herrscht dagegen in der Kühleis-Produktion. 50 Tonnen verlassen das Linde-Werk täglich. Das sind 2000 Stangen Eis (fast 60 Prozent mehr als sonst), die an Brauereien, an die Bundesbahn für Kühl-Waggons, an Geschäfte und zum kleinen Teil auch in die Haushalte gehen.

Am nötigsten aber, das registrieren die Uhren der EWAG deutlich, ist halt doch das Wasser. Wurden am Samstag noch 135 000 Kubikmeter Wasser aus dem Leitungsnetz entnommen, so waren es gestern und am Montag schon 190 000 Kubikmeter und mehr. Der Durchschnittsverbrauch liegt derzeit um knapp 40 Prozent über der Norm.

EWAG ist zuversichtlich

Schwierigkeiten in der Wasserversorgung erwartet die EWAG jedoch nicht. Auch 1964, als an einem Tag sogar 210 000 Kubikmeter Wasser verbraucht wurden, gab es keine Probleme. So hofft man, bis zum nächsten Jahr über die Runden zu kommen, denn ab nächstem Sommer pumpen sich die Nürnberger dann Wasser in Schwaben: durch eine Betonröhre gelangt Donauwasser in die Noris.

Darauf hoffen auch die Knoblauchsland-Bauern, denen die jetzige Trockenperiode einmal mehr deutlich macht, wie wichtig die Wasserversorgung aus dem Donauraum bei steigendem Bedarf wird. Felder, die jetzt nicht beregnet werden können, brauchen vielleicht gar nicht mehr zur Ernte befahren werden: wenn es nicht bald regnet, müssen Spätkartoffeln und Gemüse abgeschrieben werden.

Sorgen hat man auch im städtischen Gartenbauamt, wo man das „verheerend braune Grün“ der Anlagen sieht, dem aber nicht abhelfen kann: in erster Linie infolge Personalmangels. Der verbrannte Rasen dürfte sich zwar wieder erholen, aber um den Fortbestand vor allem jungen Laubholzes muß gefürchtet werden. Gartenbau-Inspektor Wunderlich sagt es für viele: „Regen bräuchten wir halt.“

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