4. Dezember 1970: Diebstähle nehmen zu

4.12.2020, 07:00 Uhr
4. Dezember 1970: Diebstähle nehmen zu

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Die Diebe reisen sogar aus einem großen Umkreis an: über 23 Prozent der Ertappten wohnen bis zu 20 Kilometer von Nürnberg entfernt. Und man weiß inzwischen, daß so mancher Nürnberger in einen anderen Stadtteil zum Einkaufen fährt, weil er dort unerkannt mehr mit nach Hause nehmen kann, als er an der Kasse bezahlt hat.

Darum soll künftig rigoros gegen die überhand nehmenden Langfinger vorgegangen werden. Der Bezirk Mittelfranken im Bayerischen Einzelhandelsverband will in Zusammenarbeit mit der Nürnberger Kriminalpolizei eine Aktion zur Verhütung der Diebstähle starten. Sie gipfelt, wie Bezirksvorsitzender Friedrich Gräf gestern der Presse mitteilte, in der Aufforderung an alle Einzelhändler, ab sofort jeden erwischten Dieb der Polizei zu übergeben.

Dies wurde bislang längst nicht in allen Kaufhäusern und Geschäften so gehandhabt: da eine ganze Reihe von Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird, scheuen Angestellte und Geschäftsinhaber oft die Unannehmlichkeiten einer Anzeige und drücken ein Auge zu.

Falsches Mitleid

„Das ist falsches Mitleid“, sagt der Einzelhandelsverband. Deshalb richtet er an die Gerichte den dringenden Appell, Ladendiebstähle nicht länger als Bagatell-Delikte zu behandeln: oft seien solch kleine Diebstähle die Vorstufe zu größeren Vergehen und zu Verbrechen.

Insgesamt wurden 1969 in der Bundesrepublik 116.261 Ladendiebstähle gemeldet. In Nürnberg waren es 1.350. Dabei glauben Polizei und Handel nach wie vor, daß nur jeder zehnte oder gar nur jeder 20. Ladendieb entdeckt wird. Wenn das richtig ist, muß die Zahl der Diebstähle in der Stadt tatsächlich also irgendwo zwischen 13 500 und 27 000 liegen.

Im Kampf gegen das vermehrte Auftreten der Langfinger ist jetzt erstmals auch die Datenverarbeitungsanlage der Polizei eingesetzt worden. Sie hat ermittelt, daß 62 Prozent aller Diebstähle von Frauen und nur 38 Prozent von Männern begangen werden. Bei der Nahrungs-und Genußmittelentwendung sind die Frauen sogar noch stärker vertreten.

Gern wird samstags geklaut

Beliebteste Monate sind in Diebeskreisen offenbar der Juli, August und November. Und besonders gern wird samstags zwischen 11 und 13 Uhr und freitags zwischen 14 Uhr und 16 Uhr zugegriffen. Im Durchschnitt gesehen, ist Freitag der schwarze Tag für den Handel: an ihm wurden 20,5 Prozent aller Diebstähle registriert.

Gestohlen werden meist Lebensmittel, nämlich in über 51 Prozent aller Fälle. Die Zahl der entwendeten Artikel pro Diebstahl liegt zu 70,5 Prozent bei eins bis zwei. 21,9 Prozent der Diebe stehlen pro Tour drei bis fünf Artikel. Auch hier ist die Fingerfertigkeit der Damen größer als die ihrer männlichen Konkurrenz, denn unter den Dieben, die einen oder zwei Artikel mitnahmen, überwiegen die Männer, während in allen anderen Klassen die weiblichen Täter mit Abstand vorn liegen.

Und wer stiehlt nun eigentlich? Zu 34 Prozent handelt es sich um Arbeiter und Angestellte, die Hausfrauen sind mit 29 Prozent vertreten, und die Schüler machen auch noch über 25 Prozent aus. Rentner tauchen nur in knapp 9 Prozent aller Fälle auf.

Beim Versuch, diesen Zeitgenossen zumindest das Handwerk zu erschweren, will der Handel mit der Kripo ein Merkblatt ausarbeiten, die Mitglieder des Verbandes auf Schutzmaßnahmen hinweisen und geeignete Filme vorführen. Besonders viel verspricht er sich aber von der abschreckenden Wirkung der Polizei: wird sie eingeschaltet, folgen Festnahme, stundenlanges Verhör, Durchsuchung der Wohnung durch uniformierte Beamte und oft auch Ermittlungen bei den Nachbarn.

Abschrecken soll auch eine Kartei, die sich der Bezirksverband seit einem Jahr zugelegt hat: in ihr sind mittlerweile über 1.000 schräger Kunden enthalten. Ruft ein Geschäftsmann in der Zentrale in der Sandstraße 29 an, nachdem er einen Dieb erwischt hat, kann er also gleich erfahren, ob der Festgehaltene schon einschlägig bekannt ist.

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