5. März 1971: Fußballfreund sitzt auf dem Logenplatz

5.3.2021, 07:09 Uhr
5. März 1971: Fußballfreund sitzt auf dem Logenplatz

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1. Statt der Tribüne entsteht bis zur Fußballweltmeisterschaft 1974 aus Fertigteilen ein "Zuschauerhaus" mit übereinandergestaffelten Logen. Kosten: 15 bis 18 Millionen DM. 2. Ausbau nicht nur zu Wettkämpfen, sondern als Freizeitdorado des muskelschwachen Großstädters für noch mehr Geld.

Von diesen Plänen ließ der Bauhofchef allerdings nur die "Spitze des Eisbergs" erkennen, als er vor der Nürnberger Sportpresse über die Neugestaltung der in den zwanziger Jahren vorbildlichen Arena plauderte. "Die Leute sagen sonst, jetzt spinnt er vollkommen", erklärte er die Zurückhaltung.

Görl, Handballer mit Herz für Fußball, gab zwar im kompetenten Kreis mit Club-Präsident Walter Luther, Stadtrat Hans Wagner, Sportamtsleiter Edi Sers und dem Kommissarischen SpVgg-Vorsitzenden Albert Dörfler aus Fürth den sozialen Verpflichtungen der Stadt (Bau von Schulen, Kindergärten oder dem Südkrankenhaus) absoluten Vorrang. Aber er machte mit dem Bild Heiner Stuhlfauths im Rücken in der Club-Gaststätte am Valznerweiher den Sportlern aus anderer Sicht Hoffnungen.

"Wenn ich das Stadion nicht als Einrichtung sehe, die dem Zuschauen dient, sondern sage, wir sind auf dem besten Wege zur Freizeitgesellschaft, dann muß diese Gesellschaft auch überlegen, wie die Sportstätten der Öffentlichkeit konsequenter nutzbar gemacht werden können", sagte Görl, der freilich weiß, daß der Stadtrat vor einer Entscheidung wegen des "Zuschauerhauses" (Vorteil: viele überdachte Zuschauerplätze auf geringstem Raum) anstelle der ursprünglich geplanten Überdachung der Gegengeraden eine genaue Rechnung haben will.

"Werde ich in der Lage sein, das Programm mit einer bestimmten Summe zu verwirklichen?", fragte der Baureferent. Er will so weit kommen. "Ob das 15, 17 oder 18 Millionen sein werden, kann ich jetzt noch nicht sagen." Aber er muß die Rechnung bald aufmachen, weil der Meldetermin drängt.

Kommt Görl mit 15 Millionen DM für das "Zuschauerhaus" zurecht – und nur dieser Teil muß nach den jüngsten Verhandlungen den DFB-Richtlinien für die Weltmeisterschaftsstadien entsprechen – bliebe nach den von Bund und Land zugesagten Zuschüssen für Nürnberg ein Betrag von fünf Millionen DM übrig. Soweit die Rechnung.

Doch für Hans Wagner, den SPD-Stadtrat, ist über die Bezahlung noch nicht gesprochen. Abgesehen davon, daß nach dem Olympiamuster die Kosten teilweise auch mit Lotterie und Münzen aufgebracht werden könnten, pries er Nordrhein-Westfalen als Vorbild.

Dieses Land hat 40 Millionen Mark für den Ausbau der Stadien in seinem Bereich zur Verfügung gestellt.

"Dann sollte Bayern im entscheidenden Augenblick auch vom Drittel abgehen und mehr für Nordbayern tun. Denn für die Olympischen Spiele in München muß der Staat noch viel mehr leisten", begehrte Wagner beim Stadiongespräch, bei dem Club-Präsident Walter Luther ein weiteres Argument beisteuerte.

Abgesehen von der Chance, daß jetzt noch Bund und Land die Lasten tragen helfen, spielt nach seiner Meinung die Konkurrenz unter den Städten eine Rolle. "In den künftig ausgebauten Arenen werden alle großen Sportereignisse stattfinden und die Sporthochburg Nürnberg geht leer aus", befürchtete der Club-Vertreter.

Sicherlich hat Luther dabei auch an seinen Verein gedacht. Denn die jetzt noch in der Regionalliga spielende Mannschaft wird – schafft sie den Aufstieg – auf die Dauer nur in der Bundesliga bleiben können, wenn die Kasse stimmt. Und die stimmt dann, wenn die Leistungen auf dem Rasen sich sehen lassen können – und der Zuschauer in einem ausreichend großen, modernen Stadion sitzt.

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